I. Asyl und Unterbringung

In der Amtszeit von Innenminister Ernst Strassers kam es zu einer grundlegenden Verbesserung für Asylwerber und andere "hilfsbedürftige Fremde": Die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen, davor jahrelang Zankapfel zwischen Behörden und NGOs, konnte durch die Bund-Länder-Vereinbarung massiv entschärft und in weiten Teilen gelöst werden. Die vom Bund und allen Ländern unterzeichnete Vereinbarung verpflichtet die Vertragspartner zur Einzahlung von Geldern in einen gemeinsamen Topf, der Bund trägt 60, die Länder 40 Prozent der Versorgungskosten. Nicht ausreichend geklärt werden konnte die Frage der Bereitstellung von Quartieren: Die Länder, die laut Vertrag dazu verpflichtet wären, sind zum Teil säumig. Zuletzt kündigte Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider die Bund-Länder-Vereinbarung einseitig auf.

Wenig erfreulich ist die Bilanz in Sachen Asylgesetz. Eine von Strasser initiierte, ab 1. Mai 2004 in Kraft befindliche Novelle, wurde im Oktober 2004 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) teilweise aufgehoben. Strasser reagierte mit der Aussage: "Was Recht ist, muss nicht unbedingt gut sein" - und setzte in den letzten Wochen seiner Amtszeit konkrete Schritte in Richtung einer neuerlichen Gesetzesnovelle: Die Rede war von zusätzlichen, teils vom Regierungspartner FPÖ in die Materie hineinreklamierten Verschärfungen. Nicht näher erläutert wurde, wie die vom VfGH kritisierten Punkte repariert werden sollen.

Die Zahl von Asylanträgen hat in Strassers Amtszeit indes stark abgenommen. Nach dem vergangenen EU-Erweiterungsschritt am 1. Mai, der vier Nachbarstaaten in die Union holte, sind die Antragszahlen um durchschnittlich ein Drittel gesunken.

II. Fremdenrecht

Nach Österreich einzuwandern ist heute hürdenreicher als vor der Ära Strasser. Die Zahl erlaubter Zuwanderungen im Rahmen der vom Innenministerium verantworteten Niederlassungsverordnung wurde in der Amtszeit des ÖVP-Innenministers mehrmals gesenkt. So auch für das kommende Jahr: Statt 8050 Plätze 2004 sind 2005 nur noch 7500 Plätze vorgesehen. Auch für Familienzusammenführungen, wo ein bereits jahrelanger Rückstau besteht, wird es 2005 weniger Möglichkeiten geben: Mit 5460 Plätzen sind unter diesem Posten um 30 Plätze weniger als im Vorjahr veranschlagt. Kritik gab es in der Amtszeit des scheidenden Ministers aber auch an der Integrationsvereinbarung, die Strasser mitbeschlossen hat: Im Fokus der Infragestellung stand - und steht - die Deutschkurspflicht.

III. Kriminalität

Sicherer ist Österreich unter Ernst Strasser sicher nicht geworden, in jedem Jahr seiner Amtszeit stieg die Kriminalität. 493.246 Delikte gab es im Jahr 1999 in ganz Österreich, heuer musste die Exekutive von Jänner bis inklusive November bereits 589.834 Anzeigen aufnehmen - ein Zuwachs von 19,6 Prozent. Gleichzeitig rasselte die Aufklärungsquote dramatisch nach unten. Wurden 1999 mit 51,4 Prozent noch mehr als die Hälfte aller Straftaten geklärt, liegt der Wert in diesem Jahr bisher bei 37,7 Prozent. Allerdings: Steuerte die Kriminalitätsrate zu Jahresbeginn noch auf einen neuen Rekord zu, liegt man seit Oktober unter den Vorjahreswerten.

IV. Polizeireform

Ein "Höhepunkt" in seinem Leben sei es gewesen, als am Donnerstag der Nationalrat die Fusion von Gendarmerie und Polizei beschloss, bekannte Strasser bei seinem Abschied. In Kraft treten soll der Zusammenschluss der Exekutive Mitte 2005 - auch wenn offiziell noch einige Fragen wie das Dienstzeitsystem und die Besetzung der Posten offen sind. Die Aktion ist aber nur der Schlusspunkt einer Reihe von Exekutiv-Reformen Strassers. So nahm 2002 das neu gegründete Bundeskriminalamt seine Arbeit auf, die ehemalige Staatspolizei wurde ebenso umstrukturiert wie Sondereinheiten und die Wiener Polizei. Letztere nicht ohne Turbulenzen, fanden sich doch verdiente Beamte plötzlich auf dem Abstellgleis wieder. Gleichzeitig schwand das Personal: Im Vergleich zu 1999 gab es fast 4000 Beamte weniger. Eine Bewertung der Reformen ist noch schwierig und wird auch von den Betroffenen teilweise unterschiedlich gesehen.

V. Zivildienst

Bei der Reform des Zivildienstes geriet der Minister zweimal mit den Höchstrichtern in Konflikt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) stellte im Dezember 2001 fest, dass Bestimmungen über die Versorgung Zivildienstleistender verfassungswidrig waren. Im April 2002 wurde die Verwaltung des Zivildienstes ausgegliedert und vom Roten Kreuz übernommen. Ein Schritt, den der VfGH heuer im Oktober als verfassungswidrig aufhob, bis Ende 2005 muss das Gesetz repariert werden. Die Organisationen, die Zivildiener beschäftigen, waren mit der Ausgliederung allerdings recht zufrieden, die Zivildiener kritisierten hauptsächlich den niedrigen Verpflegungssatz. (bri, moe/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.12.2004)