London/Wien - Der ukrainische Oppositionsführer Viktor Juschtschenko hat die EU aufgefordert, seinem Land eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. In einem Interview mit der Londoner Tageszeitung "Financial Times" (Samstagsausgabe) schlug Juschtschenko einen Vier-Punkte-Plan auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft vor. Zunächst soll die Ukraine als Marktwirtschaft anerkannt werden, danach der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten, später assoziiertes EU-Mitglied und schließlich Vollmitglied werden.

"Natürlich wartet die Ukraine auf wirklich konkrete Schritte als Antwort auf diese demokratischen und politischen Prozesse, die sich in der Ukraine abspielen. Wir warten auf entsprechende Schritte der EU", sagte Juschtschenko. "In diesen 17 Tagen haben wir bewiesen, dass wir ein anderes Land, ein anderes Volk sind", sagte der Oppositionspolitiker in Anspielung auf die Massenproteste gegen die offensichtlich manipulierte zweite Runde der Präsidentenwahl vom 21. November, in der er dem offiziellen Ergebnis zufolge knapp dem pro-russischen Regierungskandidaten Ministerpräsident Viktor Janukowitsch unterlegen war. Das ukrainische Höchstgericht hat eine Wiederholung der Stichwahl für 26. Dezember angeordnet.

Ferrero-Waldner: Beitritt "nicht aktuell"

Die EU hat der Ukraine bisher keine Beitrittsperspektive eingeräumt. Stattdessen soll das Land von der neuen EU-Nachbarschaftspolitik profitieren, die für die angrenzenden Staaten in Osteuropa und im Mittelmeerraum milliardenschwere Hilfszahlungen zur Umsetzung wirtschaftlicher und demokratischer Reformen vorsieht. Die dafür zuständige EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat die Nachbarschaftspolitik als wichtigste Priorität ihrer Amtszeit bezeichnet. Ein EU-Beitritt dieser Länder sei aber "nicht aktuell", obwohl die Tür "grundsätzlich offen" bleibe, hatte Ferrero-Waldner in einem APA-Interview betont. Angesprochen auf die Ukraine sagte sie, diese müsse noch große Reformanstrengungen unternehmen.

Juschtschenko kündigte im "FT"-Interview einschneidende wirtschaftliche Reformen in seinem Land an. So werde er die nach dem Ende des Kommunismus erfolgten illegalen Privatisierungen von Staatsunternehmen für ungültig erklären lassen. Konkret nannte er den Verkauf des größten ukrainischen Stahlunternehmens Kryvorizhstal um 800 Millionen Dollar (606 Mio. Euro), obwohl ausländische Bieter bis zu 1,5 Mrd. Dollar geboten hatten. Der Oppositionspolitiker sieht sich offenbar bereits als nächster Präsident der Ukraine. Er rechne bei der Neuauflage der Stichwahl mit 60 Prozent der Stimmen, sagte Juschtschenko der Londoner Zeitung. (APA)