Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder vermittelt derzeit den Eindruck, als ob er vor lauter Kraft nicht mehr laufen könne. Innenpolitisch läuft es derzeit auch gut für ihn: Die Umfragewerte der SPD steigen sukzessive und bestätigen damit seine Einschätzung, dass sich das Festhalten am Reformkurs lohnt; die Spitzenpolitiker der CDU/ CSU-Opposition bekämpfen sich vor allem gegenseitig; außenpolitisch bestätigt das Desaster der USA im Irak die Nichtbeteiligung Deutschlands an der Kriegsallianz.

Nun, da die zweite Hälfte seiner zweiten Amtszeit angebrochen ist und die innenpolitischen Reformen auf dem Weg sind, schickt sich Schröder an, sich wieder mehr der Außenpolitik zu widmen. Dass Rot-Grün seit dem Amtsantritt 1998 eine selbstbewusstere Außenpolitik als die Vorgängerregierung Kohl vertritt, zeigt sich auch an Beziehungen zu kleineren Ländern wie Österreich. Wichtig ist Berlin vor allem das Verhältnis zu Frankreich, mit dem die Marschroute für die EU festgelegt wird. Beziehungspflege zu anderen Staaten wird nur dann betrieben, wenn es deutschen Interessen dient - wie Kooperation mit dem EU-Nettozahler Österreich zur Abwehr Brüsseler Forderungen.

Dass sich Schröder inzwischen aber als "Global Player" sieht, wurde bei seiner fünftägigen Asien-Reise sehr deutlich, die an diesem Wochenende zu Ende ging. Schröder ging aufs Ganze: Bei seiner Visite in Tokio forderte er unverblümt ein Vetorecht für neue ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Schröder widersprach damit der bisherigen Vorgangsweise der deutschen Diplomatie nach dem Motto: Nicht zu sehr auf einen ständigen Sitz drängen und schon gar nichts fordern.

Schröder hat mit diesem Vorstoß auch in Berlin alle überrascht. Denn eine Erweiterung des Sicherheitsrats ist noch keineswegs fix, auch wenn die Reformbedürftigkeit des Gremiums allen Mitgliedstaaten klar ist. Aber eine Zuerkennung von Vetorechten über die bisherigen fünf ständigen Mitglieder hinaus würde der allgemeinen Forderung nach mehr Effizienz und Entscheidungsfähigkeit zuwiderlaufen.

Da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, ob die notwendige Zweidrittelmehrheit der 191 UN-Staaten für eine Reform zustande kommt, besteht die Gefahr, dass Schröder mit seiner überzogenen Forderung andere Länder eher verprellt als beeindruckt. Schröder gefährdet mit diesem Vorpreschen den legitimen Anspruch Deutschlands, das drittgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen ist, auf einen Platz in dem Gremium.

Für Widerspruch hatte Schröder auch in der eigenen Koalition gesorgt, als er sich in Peking die chinesische Forderung nach Aufhebung des EU-Waffenembargos zu Eigen machte. Dass die Menschenrechtslage in China weiter prekär ist, ignoriert der SPD-Politiker. Er führt stattdessen an, dass es ihm vor allem um Wirtschaftskontakte zu China und damit um Arbeitsplätze in Deutschland gehe.

Fragwürdig ist auch sein uneingeschränktes Eintreten für Präsident Wladimir Putin, den er einen "lupenreinen Demokraten" nennt und dabei das Vorgehen Russlands in Tschetschenien nicht einmal für kritikwürdig hält. In der Ukraine-Krise betonte Schröder häufig seine "besonderen Beziehungen" zu seinem Freund Putin und telefonierte mehrfach mit ihm. Sich als Vermittler zwischen Russland und den EU-Staaten in dem Konflikt anzubieten, davor schreckte Schröder aber doch zurück. Dann hätte er womöglich Putin etwas abverlangen müssen.

Mit diesem Nichtansprechen von Menschenrechtsverletzungen beschädigt Schröder das Engagement seiner Regierung in diesem Bereich. Mit seinem Auftreten nach dem Motto "Wir sind wieder wer" schürt der deutsche Regierungschef Ressentiments in aller Welt. Es wäre damit auch in deutschem Interesse, wenn Schröder die Außenpolitik wieder mehr dem eigentlich dafür zuständigen Minister Joschka Fischer überließe, der das diplomatische Handwerk besser beherrscht. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2004)