Was einem Jungredakteur der linken Wochenzeitung "Jungle World" bei einer Jelinek-Ehrung in Berlin aufgefallen bzw. abgegangen ist:

Als ich in der Berliner Schaubühne ankomme, halte ich verzweifelt Ausschau nach Häppchen und Sekt, muss aber rasch ernüchtert feststellen, dass der vollmundig angepriesene "Abend zu Ehren der Nobelpreisträgerin für Literatur 2004", der von der unfassbar knauserigen schwedischen Botschaft veranstaltet wird, derlei nicht vorgesehen hat. Stattdessen sagt die unvermeidliche Sigrid Löffler, nachdem sie die Bühne geentert hat: "Ich bin Sigrid Löffler." Sie habe die Schriftstellerin Elfriede Jelinek schon immer und von Anfang an "kritisch begleitet", sagt sie stolz, und man wird den Eindruck nicht ganz los, dass sie eigentlich sagen will, der Literaturnobelpreis gelte deshalb nicht allein Frau Jelinek, sondern irgendwie auch ihr, der Tante vom Literarischen Quartett.

In der Folge gibt sie in Kurzfassung nochmals den ganzen Kram bekannt, der von ihr und hundert anderen schon hundertmal in hundert Nachtstudioaspektetitelthesentemperamentekultursendungen des deutschen Fernsehens wiedergekäut worden ist. Zum hundertsten Mal fallen Wörter wie "Sprachflächen" und ähnlicher Schmonzes, der gefürchtete Arno Widmann gibt danach eine klebrige Liebeserklärung ab, in der er behauptet, die Autorin sei gar nicht die Autorin, sondern natürlich mindestens eine "Textfabrik" usw. usw. Spätestens jetzt wäre die Zeit für ein zünftiges Tortenattentat gewesen.

Dann stellt Sigrid Combüchen, eine schwedische Autorin, ihre Ahnungslosigkeit zur Schau, indem sie Friederike Mayröcker "Christiane Mayröcker" nennt und Unverständliches über das angeblich spezifisch weibliche Schreiben Jelineks zum Besten gibt. Die Literaturnobelpreisträgerin, so ist zu erfahren, habe etwas spezifisch "Kreisendes", was ihre Arbeitsweise angehe, und nicht etwa etwas forsch Voranschreitendes. Es ist kaum auszuhalten. Man begreift, warum die solcherart geehrte Künstlerin sich derartigen öffentlichen Würdigungen entzieht ...

Mein Entschluss steht jedenfalls fest: Nie wieder werde ich an der offiziellen Ehrung eines Künstlers teilnehmen. Es sei denn, es gibt Häppchen und Wein umsonst. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 12. 2004)