Wien - Rob Bekkers, Chef des Grazer Rasierapparateherstellers Payer, ist derzeit viel in Rumänien und der Ukraine auf Reisen. "Wir spüren den Druck auf die Preise und überlegen, wie wir die Kosten weiter senken", erzählt er. "Je billiger der Dollar wird, desto größer wird der Druck, billiger zu produzieren." Payer macht die hochwertige Arbeit in Österreich, beschäftigt aber auch 500 Mitarbeiter in Ungarn. Innerhalb der nächsten zwei Jahre will Payer einen neuen Ost-Standort erschließen, um für einfachere Produktionsschritte vom niedrigen Lohnniveau zu profitieren. Den Standort Ungarn will Bekkers "stabilisieren", auf das ungarische Know-how aber nicht verzichten. Payer ist eines von vielen Exportunternehmen, das mit seiner Produktion noch weiter ostwärts zieht.

Der Elektronikkonzern Philips verlagerte Anfang 2003 die Produktion von Röhrenbildschirmen von Ungarn nach China, um sich in Ungarn auf hochwertigere Produkte wie Flachbildschirme zu konzentrieren. "Die Firmen schließen ihre Standorte in Mitteleuropa nicht, sondern erweitern die Produktion, die alten Standorte werden aufgewertet", erklärt Paul Lewis, Autor der Studie "Manufacturing Strategies in Central Europe" des Economist Intelligence Unit (EIU). In der Studie heißt es, auch der Elektronikkonzern Emerson, der in Tschechien, Ungarn und Polen Fabriken hat, erwäge, Teile der Produktion ins billigere Rumänien zu verlegen.

Rasante Zuwächse

In Rumänien und Bulgarien kostet eine Arbeitsstunde laut EIU derzeit rund einen Dollar, in Ungarn und Tschechien um die vier Dollar, in Slowenien schon fast doppelt so viel. Mehr als zwei Drittel der von Lewis befragten Unternehmen rechnen in den nächsten drei Jahren mit einem Lohnkostenanstieg in den neuen EU-Ländern. Dadurch erklärt sich auch die rasante Zunahme an Direktinvestitionen in die östlicheren Regionen Europas. Der EIU erwartet für Mitteleuropa im Jahr 2008 ein ausländisches Investitionsvolumen von 17,3 Mrd. Dollar, 15 Prozent mehr als heuer, für die Balkanländer werden 7,4 Mrd. Dollar anvisiert, ein Plus von 30 Prozent im gleichen Zeitraum.

Die Abwanderung in Billiglohnländer ist aber nur für stark exportorientierte Sparten sinnvoll, ergänzt Lewis. Niedrige Löhne bedeuteten auch schwache lokale Kaufkraft, deshalb würden sich Unternehmen, wie etwa Nahrungsmittelketten oder Pharmafirmen, die auch einen Absatzmarkt in den neuen EU-Staaten suchen, eher darauf konzentrieren, neue Produkte auf den Markt zu bringen und die Kunden stärker zu binden.

"Grundqualität"

Auch Qualität und die geografische Nähe zum Kernmarkt zählen, sagte Alf Netek, Vorstand der oberösterreichischen Firma Richter Schuhe, die in Ungarn und der Slowakei produziert, im Rahmen eines Osteuropa-Symposiums im November in Wien. "Wir brauchen eine preisgünstige Arbeitsstruktur, aber auch eine gewisse Grundqualität." (Nadja Hahn, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.12.2004)