Schwarzau - Schwarz, krumm und mit einem Loch versehen sind die handlichen Plastikteile, an denen Strafgefangene Maria S. (Name geändert) herumschnippelt. Mit einer Schere entfernt sie abstehende Plastikfasern, doch auf die Frage, wofür die unansehnlichen Dinger gut sind, kennt die seit Stunden arbeitende Frau keine Antwort.

"Sie wissen doch, da werden Kabel durchgezogen, im Getriebe von neuen Autos", klärt sie, etwas entnervt, Wolfgang Kunz auf. Dem Leiter der Justizanstalt Schwarzau - dem einzigen Gefängnis für Frauen, die zu Haftstrafen über 18 Monate verurteilt worden sind - ist daran gelegen, die Arbeit in "seinen" Werkstätten als positiv herauszustreichen.

Vor allem einmal, weil es Arbeit gibt, in ausreichendem Ausmaß und gewisser Bandbreite - vom Fahnennähen bis zum Bekleben eingepackter Candy-Lollys und Tuben mit Fugenkitt. "Wir haben Vollbeschäftigung", verkündet Kunz stolz vor einer Abordnung von Grünen-Politikern, deren Besuch dem STANDARD Gelegenheit für einen Lokalaugenschein gab.

Diese Vollbeschäftigung unterscheidet die Schwarzau von anderen heimischen Haftanstalten. Den 161 Insassen - darunter 40 Männer im gelockerten Vollzug - bringt sie zwischen ein und 1,50 Euro pro Stunde ein. Die Aufträge würden "Gott sei Dank" weiter eintrudeln, sagt Kunz. Wohl auch - so ergänzt der grüne niederösterreichische Landtagsabgeordnete Martin Fasan - weil Frauen mit den Händen geschwinder arbeiteten als Männer. Für ihn ist das Frauengefängnis nahe Wiener Neustadt "ein Beispiel einer gut geführten Haftanstalt". Zumal es hier - auch dies eine Ausnahme - "ausreichend Justizwachebeamte gibt".

Subtile Gewalt

Offene Gewalt kommt unter inhaftierten Frauen, die insgesamt sechs Prozent aller Gefangenen stellen, seltener vor als unter Männern. "Frauen sind subtiler", meint Leiter Kunz. Tatsächlich zeugen die Schwarzauer Zellentrakte von Bemühungen, das Äußerliche intakt zu halten: Alle paar Meter Topfblumen sowie säuberlich bestückte, von Weichspülerduft umwehte Wäschetrockner in den Gängen des perfekt renovierten Barockschlosses, das schon Hartgesottene wie die Witwermörderin Elfriede Blauensteiner beherbergt hat.

Die Spannungen werden stattdessen hinuntergeschluckt. Die Nachfrage an Beruhigungsmitteln ist hoch - und Verzweiflungstaten wenden sich oft gegen die eigene Person. Auch die Drohung damit, wie beim derzeit akutesten Problemfall, einer jungen Frau aus Nigeria, die wegen Drogenschmuggels zu acht Jahren Haft verurteilt worden ist. Sie, die mit ihrer dreijährigen Tochter in der Schwarzauer Mutter-Kind-Abteilung einsitzt, droht mit erweitertem Suizid: Sie werde das Kind mit in den Tod nehmen, so sie damit rechnen müsse, dass sie von ihm getrennt wird.

Tatsächlich, so Kunz, hätten Kinder über zwei Jahre im Gefängnis nichts mehr verloren. Also müsse die Tochter eigentlich in ein Heim - und zwar für lange Zeit, weil die bedingte Entlassung der Mutter unwahrscheinlich ist (siehe Artikel unten). Mehr noch: Selbst ein Gnadenakt könnte zur Trennung führen: In Schubhaft, wohin die Frau dann käme, sind Mutter-Kind-Angebote unbekannt. (Irene Brickner; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.12.2004)