Das Klima in der österreichischen Medienszene habe sich seit dem Regierungswechsel derart verschlechtert, dass "die Meinungsfreiheit massiv in Gefahr ist", erklärte die Vorsitzende der Journalistengewerkschaft und "Standard"-Redakteurin Astrid Zimmermann Mittwochabend bei einem Pressegespräch in Wien. Um die publizistische Unabhängigkeit zu forcieren, fordert die Gewerkschaft Redaktionsstatute für alle heimischen Medien. Die "Angst um den Job" gehe um, so Zimmermann, "und sie ist der schlechteste Boden für eine unabhängige Berichterstattung". Der "krasse Fall Marschall" - dem Redakteur der "Oberösterreichischen Nachrichten" war in der Zeit der schwarz-blauen Regierungsbildung die inzwischen vollzogene Lösung seines Dienstverhältnisses angekündigt worden - sei derzeit ein Einzelfall, betonte Zimmermann. In der Zwischenzeit habe die Gewerkschaft jedoch Besorgnis erregende Entwicklungen beobachtet. Es habe eine Reihe von Klagsandrohungen und Klagen gegen Journalisten gegeben, Kollegen seien von öffentlich angekündigten Pressekonferenzen ausgeschlossen worden, und bestimmte Fragen würden bei Pressekonferenzen der Regierung gar nicht erst zugelassen. Mit Dieter Böhmdorfer sei ein Anwalt zum Justizminister ernannt worden, der im Auftrag der FPÖ eine Flut von Medienprozessen geführt habe, von denen eine Vielzahl noch nicht abgeschlossen sei - allein der "Standard" habe derzeit noch 30 solcher Verfahren anhängig, meinte Zimmermann. Mit der FPÖ sei darüber hinaus eine Partei an der Regierung beteiligt, deren führende Persönlichkeiten in der Vergangenheit wiederholt mit der "flapsigen Aussage" aufhorchen hätten lassen, "man werde dafür sorgen, dass linke Zeitungen keine Presseförderung mehr erhalten". Seit Antritt der neuen Regierung hätte es "eine Reihe von pauschalen Drohungen gegen Journalisten und Medien" gegeben, und nicht zuletzt die "Kollegen von der 'Wiener Zeitung'" stünden unter "massivem politischen Druck", skizzierte Zimmermann die Situation. Der Angestelltenbetriebsrat der "Wiener Zeitung", die von der Bundesregierung herausgegeben wird, dementierte dies inzwischen. "Auf die Redaktion wurde und wird keine politischer Druck ausgeübt - weder früher noch unter der jetzigen Bundesregierung", heißt es in einer Stellungnahme an die APA. Gerhard Marschall bestätigte indes Zimmermanns Einschätzung, betonte aber, "sicher nicht das Opfer der neuen Regierung" zu sein. Seine Absetzung stelle einen "voraus eilenden Gehorsam" dar, der symptomatisch für das derzeitige Klima sei. Für die Gewerkschaft zeigt die "Causa Marschall" die Notwendigkeit von Redaktionsstatuten. Sie sollten im Printsektor an den Bezug der Presseförderung gekoppelt werden; im Fall der elektronischen Medien - für den ORF und die Privatradios gibt es gesetzliche Vorgaben, ein Redaktionsstatut zu erstellen - soll die Einhaltung der Richtlinien kontrolliert werden. Von den insgesamt 42 privaten Rundfunkveranstaltern hätten lediglich drei ein solches Statut verabschiedet, beklagte Zimmermann. Dass ein Redaktionsstatut die eigenverantwortliche Berichterstattung sichere, bestätigte Fritz Wendl, Vorsitzender des Redakteursrates im ORF. Der derzeitigen Entwicklung kann er aber auch positive Aspekte zugestehen: Zwar herrsche im ORF "nicht unbeträchtliche Verunsicherung", zugleich aber auch "große Entschlossenheit bei Journalisten und Geschäfstführung". Die Repolitisierung habe im Fall des ORF auch eine "Re-Professionalisierung" bewirkt, so Wendls Einschätzung. Für Rauch-Kallat sind "freie Medien unverzichtbar" "Freie Medien sind eine unverzichtbare Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie", erklärte ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat. "Zimmermann sollte im Sinne einer fundierten Berichterstattung die pauschalen Vorwürfe präzisieren", so Rauch-Kallat. Außerdem seien Behauptungen, die von Betroffen selbst als unrichtig bezeichnet werden, ziemlich unglaubwürdig. Aufgabe der Medien sei es, nicht nur zu informieren, sondern auch kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. "Die ÖVP wird jederzeit unmissverständlich klarstellen, dass sie jeglichem Versuch, die Meinungsfreiheit anzutasten, entschlossen entgegentreten wird. Zum Glück gibt es dafür derzeit keinen Anlass", meinte Rauch-Kallat. (APA)