London/Frankfurt - Die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) haben ihre alten Fusionspläne aus dem Jahr 2000 wiederbelebt. Anders als damals will die Deutsche Börse im Falle eines Zusammengehens die Marktmodelle und die rechtlichen Rahmenbedingungen erhalten. Uneinigkeit herrscht indes zwischen den Gesprächspartnern über den Wert der LSE, die faktisch von der Deutschen Börse übernommen würde. Auf Basis der Vorstellungen der Börse würde LSE rund 2 Mrd. Euro kosten.

"Zu niedrig"

Die LSE lehnte am Montag ein Übernahmeangebot der Deutschen Börse von 5,30 Pfund je LSE-Aktie in bar als zu niedrig ab, stimmte Gesprächen mit dem Konkurrenten jedoch zu. Die Deutsche Börse deutete nur begrenzte Kompromissbereitschaft beim Preis an. "Die Deutsche Börse ist fest davon überzeugt, dass dieser Vorschlag im besten Interesse der Aktionäre und der anderen Stakeholder einschließlich der Kunden ist", so der führende deutsche Börsenbetreiber. Es sei aber offen, ob es am Ende ein rechtlich verbindliches Angebot geben werde. Analysten bezeichneten das Angebot als teuer, aber tragbar. Einige Börsianer rechnen mit einem Gegengebot der Vierländerbörse Euronext.

Die Deutsche Börse versucht seit langem, die Konsolidierung des europäischen Börsensektors voranzutreiben. Im Sommer war sie am Widerstand der Schweizer Banken mit dem Plan einer Übernahme der Schweizer Börse SWX gescheitert. Im Jahr 2000 hatten die Frankfurter und die Londoner Börse schon einmal kurz vor der Fusion zur "IX-International Exchanges" gestanden. Das Projekt scheiterte an Vorbehalten lokaler Banken und Broker. Damals sollte IX eine einheitliche Handelsplattform und einheitliche Regularien bekommen. Die Standardwerte wären in London gehandelt worden, die Wachstumsunternehmen des damals noch boomenden Neuen Marktes hätte Frankfurt behalten.

Erreichen der angestrebten Synergien fraglich

Solch drastische Veränderungen strebt die Börse dieses Mal nicht an. Die vorhandenen Marktstrukturen, die etablierten Marktmodelle sowie die Währungen blieben nach den neuen Plänen erhalten, teilte die Börse mit. Auch bei der Abrechnung und Abwicklung würden die bestehenden Verträge anerkannt. "Damit kommt die Börse London unglaublich entgegen. Allein, können damit die damals in Aussicht gestellten Synergien von 60 Mio. Pfund im Jahr erreicht werden?", gab ein Frankfurter Analyst zu Bedenken. Angesichts der Bedeutung Londons seien 5,30 Pfund nicht zu viel. "Die Frage ist aber jetzt, schaut Euronext nur zu?" In der Euronext sind die Börsenplätze Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon zusammengefasst.

Das Angebot von 5,30 Pfund stellt einen Aufschlag von 23 Prozent auf den Freitagsschlusskurs der LSE dar. Die LSE-Aktie hatte sich auf Grund von Spekulationen über ein mögliches Übernahmeangebot in den vergangenen drei Monaten bereits um 20 Prozent verteuert. LSE-Papiere verteuerten sich am Montag um 20 Prozent auf 5,10 Pfund.

Pralle "Kriegskasse"

Auf Basis der Vorstellungen der Börse würde LSE insgesamt rund zwei Mrd. Euro kosten. Analysten verwiesen auf die gut gefüllte Kriegskasse der Frankfurter Unternehmens, die sich Ende 2005 auf 1 Mrd. Euro in Barmitteln belaufen sollte.

Die bisher größte Übernahme der Börse war vor zwei Jahren die Übernahme der in fremden Händen verbliebenen 50 Prozent am Wertpapierabwickler Clearstream für rund 1,6 Mrd. Euro. Die Aktien der Deutschen Börse büßten am Vormittag 1,6 Prozent an Wert ein. (APA/Reuters)