Das Treffen der EU-Außenminister in Brüssel gab einen Vorgeschmack darauf, wie schwierig die Einigung über die Türkei wird. Die Entscheidung fällt am Gipfel der Regierungschefs am Donnerstag.

In der Vorbereitung dafür stritten die Außenminister am Montag stundenlang darüber, unter welchen Bedingungen die Beitrittsverhandlungen mit Ankara eröffnet werden sollen. Liegen doch die Positionen weit auseinander: Italien, Deutschland und Großbritannien wehren sich gegen jede Verwässerung. "Das klare Ziel muss Beitritt lauten. Jede Verwässerung würde zum Abbruch der erfolgreichen Reformen in der Türkei führen", warnte der deutsche Außenminister Joschka Fischer.

Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums stehen Österreich, Frankreich und Dänemark. Diese Staaten pochen darauf, einen Plan B zur Vollmitgliedschaft schon im Gipfeltext zu verankern. "Für uns ist wichtig, dass die Verhandlungen ein offener Prozess sind und nicht automatisch zum Beitritt führen", machte Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik Druck für ergebnisoffene Verhandlungen, die EU sollte ausdrücklich "andere Optionen" nennen.

Permanente Ausnahme

Das war aber nicht der einzige Punkt, in dem sich Österreich als Türkei-Hardliner präsentierte. Plassnik machte (wie schon der Botschafter in den Vorgesprächen) klar, dass Österreich auf die Möglichkeit permanenter Ausnahmen bei der Arbeitsmigration besteht. Davon macht Österreich sein Ja abhängig. An sich ist die Niederlassungsfreiheit eines der EU-Grundrechte. Für die Erweiterung im Mai wurde eine siebenjährige Übergangsfrist vereinbart, bis sich Polen und Co in allen EU-Staaten niederlassen können.

Für die Türkei soll, verlangt Österreich, zumindest die Möglichkeit einer dauerhaften Ausnahme festgeschrieben werden. Andere Staaten halten das für EU-widrig.

Was die EU verträgt

Die Türkei selbst bekämpft solche Ausnahmeregelungen. Die Entscheidung treffen die Staats- und Regierungschefs, ihnen überließen die Außenminister auch die Festlegung eines Datums für den Start der Verhandlungen. Als wahrscheinlicher Termin zeichnet sich der Herbst 2005 ab. Davor muss die Türkei noch Zypern anerkennen – derzeit hat Ankara mit dem EU-Mitglied Zypern keine diplomatischen Beziehungen. Mit einem Türkei-Beitritt wird frühestens im Jahr 2015 gerechnet. Davor ist im Gipfel-Text eine zusätzliche Hürde aufgebaut: Vor einem Beitritt müsse die "Aufnahmefähigkeit" der Union geprüft werden.

Die deutschen Konservativen wollen, dass es gar nicht zum Beitritt kommt. Auf einem Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) vor dem Gipfel will die CDU/CSU eine Alternative zum Beitritt beschließen. Andere Konservative hingegen, etwa Italien, sind klare Beitrittsbefürworter. Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel muss als EVP-Koordinator die unterschiedlichen Positionen in eine Formulierung gießen. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2004)