Der Schauplatz des mit hochkarätigen Kuratoren, Theoretikern und Künstlern besetzten Symposiums, in dessen Zentrum die (Re)konstruktion der zentral- und osteuropäischen Kunst und Geschichte stand, war das Kampa Museum in Prag. Eine ehemalige Mühle an der Moldau, die seit 2003 die Sammlung von Meda Mládek beherbergt.

Diese umfasst hunderte Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen, die die Entwicklung der tschechischen abstrakten Kunst skizzieren. Zu den bekanntesten Exponaten gehören die Bilder und Zeichnungen von Frantiek Kupka. Darüber hinaus enthält die Sammlung, die die gebürtige Tschechin im Exil in Washington aufbaute, auch Werke von Jirí Kolar, Hugo Demartini und weiteren Künstlern, die von der offiziellen tschechoslowakischen Kunstgeschichte negiert wurden.

Dass die Organisatoren der Veranstaltung - der Verein Tranzit (ein Sponsoring Projekt der Erste-Bank-Gruppe) gemeinsam mit dem MoMA New York und dem Goethe-Institut in Prag - diesen Ort nicht zufällig ausgewählt haben, wurde im Lauf des fünftägigen Symposiums offenkundig. Denn Infrastruktur, die die inoffizielle Kunstgeschichten in ein aktuellen Bezugssystem stellen könnte, ist in den meisten postkommunistischen Ländern nur rudimentär vorhanden.


Subjektivität

Einführend standen deswegen auch die "persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen" der Kunstschaffenden im Mittelpunkt, die der subjektiven Wahrnehmung der unterschiedlichen Kunstszenen im osteuropäischen Raum verpflichtet waren.

Der Kunsttheoretiker Pawel Polit gab einen Überblick über die polnische Konzeptkunst der 60er und 70er Jahre, Boris Ondreicka erläuterte das außergewöhnliche Kunstschaffen des slowakischen Künstlers Stano Filko und Jaroslaw Kozlowski problematisierte die westliche Rezeption der osteuropäischen Kunst. Diese wäre, so der Professor für visuelle Künste in Poznan, stets ideologisch aufgeladen, selbst wenn die Künstler dies tunlichst vermeiden wollen.

Wählt ein Konzeptkünstler die Farbe Grau, würde man damit Armut assoziieren, entscheidet er sich für Grün, würden westliche Betrachter fragen, wieso er sich für die "Die Grünen" stark macht. Neben den theoretischen und kunsthistorischen Beiträgen reflektierten Künstler wie Mladen Stilinovic oder Ján Mancuska ihre aktuelle Situation, in der sie einen Weg zwischen dem postkommunistischen und dem kapitalistischen Kunstsystem finden müssen.


"New Eastern Art Map"

Die Suche nach einem möglichen dritten Weg beschäftigt auch die slowenische Künstlergruppe Irwin, die ihr jüngstes Projekt mit dem Titel "New Eastern Art Map" präsentierte. Dieses stellt den ambitionierten Versuch dar, die Kunst des gesamten osteuropäischen Raums in einem einheitlichen System so differenziert darzustellen, dass dieses auch über die Grenzen hinweg respektiert wird. In Bezug auf die Kunstgeschichte sieht aber auch der Westen Handlungsbedarf: Unter dem Titel "Primary Documents" publizierte das MoMA 2002 einen Sammelband, der die wichtigsten Manifeste seit den 50ern erstmals ins Englische übersetzte.

Tomás Pospiszyl, Mitherausgeber der Publikation, begann seine Ausführungen mit dem Statement: "The East Exists". Eine Festschreibung, die Joseph Backstein, Kurator der ersten Moskauer Biennale (2005), so nicht stehen lassen konnte, weil diese die kulturelle Gettoisierung der osteuropäischen Ländern erst recht vorantreiben würde. Insgesamt verdeutlichten die Diskussionen, dass die kulturellen Differenzen zwischen Ost und West, aber auch zwischen Ost und Ost, noch lange nicht überwunden sind und nur ein lebhafter Erfahrungsaustausch die Anerkennung dieser Differenzen fördert. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2004)