Straßburg - Wenige Tage vor dem entscheidenden Gipfel am Donnerstag und Freitag bleibt das Ziel von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auch im Europaparlament heftig umstritten. Die Konservativen wollen für die Stellungnahme des EU-Parlaments erneut die Alternative einer "privilegierten Partnerschaft" zur Abstimmung einbringen. Deren Fraktionschef Hans-Gert Pöttering warnte am Montag in der Aussprache in Straßburg davor, dass sich die EU im Fall von Beitrittsverhandlungen "zu Tode erweitert".

Allerdings ist die christdemokratisch-konservative europäische Volkspartei (EVP) selbst gespalten in dieser Frage, räumte Pöttering ein. Neben Gegnern von Verhandlungen und Befürwortern der "privilegierten Partnerschaft" gebe es auch Fürsprecher für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei. Die Konservativen wollen am morgigen Dienstagabend über eine gemeinsame Linie beraten.

Für die Sozialdemokraten im Europaparlament warnte Fraktionschef Martin Schulz vor einer Absage an Ankara. "Die Beitrittsperspektive macht aus diesem Land eine normale parlamentarische Demokratie." Es wäre "fahrlässig", wenn die EU nicht den Versuch unternähme, das Land zu integrieren.

Neben den Sozialdemokraten sprachen sich auch die Liberalen, Grünen und Linken für die Beitrittsverhandlungen mit Ankara mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft aus. Die liberale italienische Abgeordnete Emma Bonino warnte davor, dass Einschränkungen für die Türkei in der Personenfreizügigkeit den EU-Vertrag verletzten.

Der Bericht des niederländischen EVP-Abgeordneten Camiel Eurlings, über den das Europaparlament abstimmt, spricht sich für die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen aus. Allerdings wird festgehalten, dass dies "per se ein Prozess mit offenem Ausgang ist und nicht a priori und automatisch zum Beitritt führt". Ein von deutschen und französischen Konservativen eingebrachter Antrag sieht dagegen vor, "das alternative Ziel einer privilegierten Partnerschaft" anzustreben. Vom Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments war eine solche Alternative abgelehnt worden.

Ein Kompromissantrag der ÖVP-Abgeordneten Ursula Stenzel und Paul Rübig "betont, dass für den Fall, dass sich der Beitritt nicht realisieren lässt, andere Optionen in Betracht gezogen werden sollten". Mehrere Redner kritisierten anhaltende Folter in der Türkei sowie die Tatsache, dass Ankara nach wie vor das EU-Land Zypern nicht anerkennt und im Norden der Mittelmeerinsel Soldaten stationiert hat.

Die Stellungnahme des EU-Parlaments ist rechtlich nicht bindend, aber gleichwohl ein wichtiges politisches Signal. Die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei treffen die Staats- und Regierungschefs beim Brüsseler Gipfel am 16. und 17. Dezember. (APA)