Boston - Schon seit Jahren predigen Mediziner und Ernährungswissenschafter, dass viel Obst und Gemüse vor kardiovaskulären Erkrankungen und auch vor der Entstehung von Krebs schützt. Vor allem den reichlich vorhandenen Antioxidantien, die freie Radikale im Körper unschädlich machen, wird hier eine große Bedeutung zugemessen. Doch die Beweislage ist keineswegs sicher, die Hinweise auf eine protektive Wirkung stützen sich auf meist kleinere Untersuchungen. Im Gegenteil: Eine Studie im Journal of the National Cancer Institute kam sogar zum Schluss, dass die Wirkung von Obst und Gemüse gegen Krebs wahrscheinlich total überschätzt wurde.

Insbesondere grünblättriges Gemüse wirkt vorbeugend

Walter Willett und seine Kollegen von der Harvard School of Public Health in Boston werteten dafür eine der größten und bekanntesten Langzeituntersuchungen an über 100.000 US-amerikanischen Krankenschwestern und Pflegern aus. Die Teilnehmer machten in Fragebögen im zeitlichen Abstand mehrere Male genauere Angaben zu ihren Ernährungsgewohnheiten und ihrem Gesundheitszustand. Bei der genaueren Analyse stellte Willett fest, dass jene Personen, die reichlich Obst und Gemüse zu sich nahmen, fünf Portionen und mehr pro Tag, ihr Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung um zwölf Prozent senken konnten. Bei einer genaueren Unterteilung hinterließen besonders die grünblättrigen Gemüse eine positive Wirkung, um Arteriosklerose oder Herzinfarkt vorzubeugen. Auf die Entstehung von Krebserkrankungen hatten die reichlichen Vitamine und Antioxidantien hingegen keinerlei statistisch messbaren Auswirkungen.

Ungenauigkeiten nicht ausgeschlossen

Im Editorial der gleichen Ausgabe des Journals stimmten die beiden Mediziner Arthur Schatzkin und Victor Kipnis vom National Cancer Institute zwar zu, dass die Analyse einer solch großen Personengruppe weniger fehleranfällig sei, als kleinere Studien. Allerdings schließen sie Ungenauigkeiten auch dabei nicht aus. Da die Teilnehmer kein Ernährungstagebuch führten, sondern zu bestimmten Stichtagen ihren Obst-und Gemüsekonsum selbst beurteilen mussten, beruhten die Daten auf rein subjektiven Einschätzungen. (grote/DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2004)