Um die Jahrhundertwende (die vorige) war die "Wiener medizinische Schule" ein Weltbegriff. Jetzt sollte sie es wieder sein, vielleicht mit der Erweiterung "österreichische medizinische Schule", weil etwa Innsbruck ganz vorne mit dabei ist. Als es dem ukrainischen Oppositionsführer und eigentlichen Wahlsieger nach einem Abendessen mit dem Geheimdienstchef plötzlich ganz schlecht ging, wurde er nach Wien geflogen und dort gerettet.

Wochen später wagte der Präsident des Privatspitals, der Intensivmediziner Michael Zimpfer, die Diagnose "Vergiftung mit Dioxin" und die "Zusatzdiagnose Einwirkung durch Dritte". Jeder, der sich mit den postsowjetischen Zuständen in vielen Teilen des einstigen Imperiums auskennt, ist nicht sonderlich überrascht.

Was man aber gar nicht oft genug betonen kann, ist die Kombination aus höchster medizinischer Kompetenz und politischer Vertrauenswürdigkeit, über die Österreichs Medizin inzwischen offenbar verfügt. Vor Juschtschenko wurden Václav Havel und der slowakische Präsident Schuster von österreichischen Spitzenmedizinern gerettet. Hier hat sich offenbar eine zweite österreichische Schule der Medizin herangebildet; eine stille Spitzenleistung. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2004)