Es gibt nicht viele, die einen EU-Beitritt der Türkei lauthals begrüßen würden. Und unter denen, die aus grundsätzlichen Erwägungen oder einfach aus politischer Korrektheit dazu bereit sind, gibt es wohl auch noch den einen oder anderen mit klammheimlichen Vorbehalten.

Die Beitrittsgegner sind in der Mehrheit - und in guter Gesellschaft: vom AK-Präsidenten über den SPÖ-Klubchef bis hin zum FPÖ-Generalsekretär. Und natürlich auch vom Kanzler und seiner Partei: Kommt ja eh nicht, der türkische EU-Beitritt. Oder: nicht gleich. Sondern in einer ganz anderen Situation. Und womöglich ganz anders, als man heute EU-Mitgliedschaften kennt. Also bitte nicht aufregen - sind ja eh alle dagegen, dass die Türken gleich kommen. Selbst bei den im Zweifel für Multikulturalismus plädierenden Grünen gibt es einen - Johannes Voggenhuber, der einer Vertiefung der EU Vorrang vor einer Erweiterung gibt -, auf den man Beitrittsgegner verweisen kann.

Es hat bloß alles wenig Gewicht: Wenn man nicht radikal Nein zur Türkei sagen will (was ebenso wenig mehrheitsfähig ist wie ein bedingungsloses Ja), muss man Verhandlungen führen. Dass diese "ergebnisoffen" sein werden, wie es so schön heißt, stimmt formal gesehen - aber die Verhandler werden natürlich aufeinander zugehen, wenn man erst einmal verhandelt.

Also bleibt festzuhalten: Die Beitrittsgegner konnten oder wollten im österreichischen Parlament keine Mehrheit für ein Nein zu Verhandlungen zustande bringen - sie können den Bundeskanzler also weder rechtlich noch politisch binden, in Brüssel eine bestimmte Position einzunehmen.

Schon gar keine ablehnende. So kann Wolfgang Schüssel unbeschwert und unaufgeregt taktieren, hier und da "aber" sagen, dabei dies oder jenes durchsetzen und das womöglich als großen Erfolg verkaufen. Den größten persönlichen Erfolg hatte er schon im Vorfeld: Er kann jetzt tun, was er will. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2004)