Drei kleine, äußerst wertvolle grüne Granate, ein schöner Amethyst, und das Ganze in Weißgold eingefasst. Es sind besonders filigrane Ohrringe, die Ernestine Navratil heute trägt. Ein kunstvoll verarbeitetes Schmuck-Mobile, so zierlich, dass man es kaum anzufassen wagt. Etwas Zeitloses trägt es in sich und auch eine Spur Vergangenheit.

"Ich mag keine zu modischen Schmuckstücke", hatte die Anfang Vierzigjährige, in Jeans und in einem schlichtem, schwarzem Jäckchen Gekleidete schon gleich zu Beginn des Gesprächs bemerkt. In ihrer wunderbar-hellen Altbauwohnung im achten Wiener Gemeindebezirk, die Wohnung und Atelier gleichzeitig ist, stehen alte Ledermöbel neben antiken Kästen, ein Kachelofen und Antiquitäten. An den Wänden eine ganze Reihe von Bildern ihres im vergangenen Jahr verstorbenen Mannes, dem Maler Walter Navratil. Ein Mischung aus Art brut und magischem Realismus. Nein, modischer Schmuck wird hier keiner hergestellt. Unmodischer aber auch nicht.

Vor knapp einem Jahr hat sich Ernestine Navratil selbstständig gemacht. Um sich ganz jener Tätigkeit zu widmen, mit der sie bereits vor über zehn Jahren begann: "Schmuck herzustellen hatte für mich schon immer etwas sehr Befriedigendes. Früher hatte ich Möbel entworfen und Wohnungen umgebaut."

Groß ist er nicht, der Markt für handwerklich hergestellten Schmuck. Der Großteil wird industriell gefertigt, viele Schmuckgeschäfte haben mittlerweile die eigene Goldschmiedetätigkeit eingestellt. Genauso überschaubar ist auch die Klientel, die sich für selbst gefertigten Schmuck interessiert. Dafür, meint Ernestine Navratil, sei der Kontakt mit den Kunden aber umso enger.

Viele Käufer wollen in den Herstellungsprozess eingebunden werden, manch einer hat auch ganz konkrete Erwartungen. Ausschließlich Unikate herzustellen, von diesem Wunsch hat sich Navratil schon vor Längerem verabschiedet. "Dafür ist die Forschung und Entwicklung, die zu einem Schmuckstück führt, schlichtweg zu aufwändig." Die Wahl der Steine, die Kombination der Farbtöne, der vorsichtige Umgang mit den Materialien: So genau die Idee auch bereits zu Beginn des Fertigungsprozesses ist, so präzise die Skizzen gearbeitet sind, ihre Umsetzung gestaltet sich dann doch meist etwas komplizierter.

"Zum Beispiel diese Kette hier", sagt Navratil und nimmt ein beinahe zerbrechliches Gebilde in die Hand: "Sie besteht zur Gänze aus Perlmuttplättchen, die von kleinen Stäbchen zusammengehalten werden." Der Arbeitsaufwand für dieses Lieblingsstück der Designerin ist enorm, der Materialwert deutlich geringer. "Dafür ist es mir aber auch besonders ans Herz gewachsen."

Es sind teilweise durchaus ungewöhnliche Materialien, auf die Navratil zurückgreift, Steine jenseits der üblichen Verdächtigen sozusagen: "So gerne ich Diamanten, Saphire, Smaragde und Rubine mag: Es gibt auch Alternativen." Navratil geht zu dem in der Ecke ihres Arbeitszimmers stehenden alten Glasschrank - vis-à-vis der Staffelei ihres Mannes, die hier noch steht. Fein säuberlich sind auf Filz einige Exponate ihrer Handwerkskunst präsentiert. Ohrringe aus Bergkristall, in Rotgold eingefasst, Schmuckstücke aus Mondstein und jede Menge aus hellem und dunklen Perlmutt. Allesamt eher feingliedrige als protzige Stücke, manche leicht nostalgisch angehaucht, mit einem Schuß Jugendstil, gleichzeitig aber ziemlich zeitlos.

"Das Attribut ,zeitlos' ist natürlich immer so eine Sache. Irgendwie sind wir ja alle dem Zeitgeist unter- worfen", sagt Navratil und: "Ein wirklich gelungenes Schmuckstück ist jenes, bei dem man die Idee, die dahinter steckt, nicht mehr merkt." Das ist vielleicht auch der Grund, warum Navratil beinahe archaische Schmucktraditionen als Vorbilder nennt, namentlich alten indischen und keltischen Schmuck. Ersterer ist unglaublich fantasievoll und dekorativ, Letzterer äußerst puristisch und funktionalistisch. Das sind die Pole, zwischen denen sich letztlich jegliches Schmuckdesign bewegt. Ernestine Navratil Kreationen pendeln zwischen beiden. (Der Standard/rondo/hil/17/12/2004)