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Frankreichs Präsident Jacques Chirac (rechts) neben dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder vor zwei Wochen in Lübeck. In Deutschland ist indes ein heftiger Streit zwischen Regierung und Opposition über einen EU-Beitritt der Türkei entbrannt. Auch das "Ja" des französischen Staatspräsidenten zu einem EU-Beitritt der Türkei ist in Paris auf Kritik gestoßen.

Foto: APA/EPA/Maurizio Gambarini
Brüssel - In Brüssel beginnt heute ein zweitägiger EU-Gipfel, auf dem die EU-Staats- und Regierungschefs über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beraten. Dass die EU die Aufnahme der Gespräche beschließen wird, gilt als sicher. Offen ist aber noch, wann die Verhandlungen beginnen und ob in der Gipfelerklärung neben einer Mitgliedschaft der Türkei auch ein dritter Weg genannt wird. Darauf drängen einige konservativ geführte EU-Staaten.

Datum und Ziel offen

Bis Freitag müssen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten über die genauen Bedingungen für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einigen. Seit Wochen wird darüber verhandelt, sodass nur mehr wenige, allerdings politisch heikle und umstrittene, Punkte offen sind. Klar ist inzwischen, dass Verhandlungen beginnen sollen. Offen ist das genaue Datum, auch wenn sich Herbst 2005 abzeichnet. Strittig ist auch noch das Ziel der Gespräche, genauer die Frage, ob auch über Alternativen zu einem Vollbeitritt verhandelt werden soll.

Allerdings zeichnet sich eine sehr große Mehrheit gegen die ausdrückliche Nennung von Alternativen ab, sodass Österreich mit diesem Wunsch alleine bleiben dürfte. Auch das EU-Parlament hat am Mittwoch mit klarer Mehrheit alle Formulierungen über alternative Ziele verworfen.

"Ausnahmen"

Heftig umstritten ist noch, ob schon bei der Eröffnung der Verhandlungen ausdrücklich darauf verwiesen werden soll, dass es "Ausnahmen" von der Anwendung von EU-Recht geben soll. Das ist eine nachdrückliche Forderung Österreichs, die auch von einigen anderen Staaten Unterstützung fand. Allerdings haben viele Länder grundsätzliche Bedenken.

Im Entwurf für den Gipfel werden "lange Übergangsfristen, Ausnahmen, Sonderregelungen oder dauerhafte Schutzklauseln" ausdrücklich für den freien Personenverkehr, Struktur- und Agrarpolitik genannt. Außerdem sollen die Mitgliedsländer bei der Gewährung des freien Personenverkehrs eine "maximale" individuelle Freiheit bekommen. Dieser Absatz ist aber noch in Verhandlung.

Zypern-Anerkennung

In Diskussion ist auf Druck Zyperns auch noch, in welcher Form die Türkei den Inselstaat anerkennen muss. Bisher verweigert dies die türkische Regierung.

Schon vereinbart ist im Entwurf für den Gipfel, dass die Kapazität der Union neue Mitglieder zu absorbieren, ohne den Schwung für die Europäische Integration zu verlieren "eine wichtige Erwägung im allgemeinen Interesse sowohl der Union als auch der Kandidatenländer" ist.

Frühester Beitritt 2014

Klar ist auch, dass die Türkei frühestens 2014 EU-Mitglied werden kann. Beitrittsverhandlungen mit Ländern, deren Aufnahme "substanzielle finanzielle Konsequenzen" hat, können erst nach dem Beschluss des Finanzrahmens für die Zeit nach 2014 beitreten, so der Textentwurf.

Völlig klar ist weiters auch, dass alle Entscheidungen im Rahmen der Beitrittsverhandlungen einstimmig fallen, denn es handelt sich um eine so genannte "Regierungskonferenz", also Verhandlungen der 25 Regierungen der EU-Länder mit der Regierung des Kandidatenlandes und nicht im eigentlichen Sinn um eine Verhandlung "der Union". Daher gilt grundsätzlich Einstimmigkeit. Einzige Ausnahme ist nach dem derzeitigen Stand die Vereinbarung, allenfalls die Verhandlungen mit einer Mehrheitsentscheidung auszusetzen. Das könnte nach derzeitigen Stand der Diskussion ein Drittel der Mitgliedsländer oder die EU-Kommission beantragen. Die Entscheidung darüber würde - nach Anhörung des Kandidatenlandes - mit qualifizierter Mehrheit getroffen.

Gleichbehandlung

Obwohl sich die EU grundsätzlich zur Gleichbehandlung aller Mitgliedsländer bekennt, wird für die Türkei vorgesehen, was es bisher nicht gegeben hat: Benchmarks für das Schließen und sogar für das Eröffnen von Kapiteln. Dabei soll auf bisherige gesetzliche und tatsächliche Anpassung des türkischen Rechts an EU-Recht geachtet werden. (APA/dpa)