Spielberg/Graz/Wien - Kaum ist das Skandal um die Energie Steiermark Holdings AG (Estag) am Abklingen, bilden sich in der Steiermark die Umrisse einer neueren, womöglich weit größeren Affäre.

Rund um das vom Bundes- Umweltsenat wegen grober Verfahrensmängel zurückgeschmissenen 700-Millionen- Motorsportprojekt von Red Bull tauchen zunehmend Ungereimtheiten auf. Die steirische Landesregierung kommt dabei immer stärker unter Druck, wie auch der - dem Standard vorliegende - Geheimvertrag mit Red Bull dokumentiert.

Mach ma schon"- Stimmung

Der ganze unter Verschluss gehaltene Vertrag ist von einer gewissen "Mach ma schon"- Stimmung getragen. In der Euphorie, ein 700-Millionen-Euro-Projekt an Land gezogen zu haben, wurden Red Bull vom Land beachtliche Leistungen versprochen. So wird auf Seite 4 vom Land zugesichert, "dass ab Vertragsabschluss für die Errichtung der Motorsportakademie und eines Hotels notwendige bauliche Vorarbeiten und Probebohrungen ungehindert durchgeführt werden können." Offenbar ungeachtet einer in jeden Fall notwendigen Baurechtsgenehmigung.

Unter Punkt XI steht dazu weiterführend: "Im Hinblick auf (...) baulich geplanten Investitionen" verpflichte sich das Land "sämtliche hierfür notwendigen baurechtlichen Zustimmungen zu erteilen". Derartiges Entgegenkommen gipfelt in der Bereitschaft der Landesregierung, dass Red Bull "nicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bestandgegenstandes verpflichtet" sei. Daraus könnte interpretiert werden, das Land könne um seine rund 40 Mio. Euro an Investitionen, die es im Zuge der Wiederbelebung des Formel-I- Zirkusses eingesetzt hatte, umfallen. Zumal sämtliche alten Installationen für das neue Red-Bull-Projekt A1-Ring bereits niedergerissen wurden.

Hinweis vom Ministerium

Ingrid Lechner-Sonnek, Klubchefin der steirischen Grünen, legte am Donnerstag ein Papier des Umweltministeriums vor, aus dem deutlich hervorgeht, dass die Landesregierung bereits vor einem Jahr vom Ministerium dezitiert darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die in der Landesregierung erarbeiteten Unterlagen zur Umweltverträglichkeitserklärung für das Red- Bull-Projekt zahlreiche "formale und wesentliche inhaltliche Mängel aufweisen."

Als der Bundes-Umweltsenat das Projekt kürzlich, also ein Jahr später, aus ebendiesen Gründen zurückwies, empörte sich die Landesregierungsspitze über diese "Attacke aus Wien". Man zeigte sich "völlig überrascht" über den negativen Bescheid. VP- Umweltlandesrat Johann Seitinger wehrte sich in einer ersten Reaktion dagegen, "wenn aus jedem Detail des Verfahrens ein eigener Skandal konstruiert wird."

Zweifel an "700- Millionen-Projekt"

Mittlerweile sind berechtigte Zweifel aufkommen, ob es sich tatsächlich um ein "700- Millionen-Projekt" handelt. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bestätigte, dass Red Bull lediglich 200 Mio. Euro investieren wolle. Der Löwenanteil auf die 700 Mio. Euro käme von anderen Gesellschaftern wie Magna, KTM und dem VW-Konzern.

Diese Unternehmen hatten sich aber, wie Standard-Recherchen ergaben, distanziert. Laut VW-Zentrale existieren keinerlei konkreten Verträge, auch KTM und Magna dementierte, je Mitglied eines Red- Bull-Konsortiums gewesen zu sein. (Walter Müller, Der Standard, Printausgabe, 17.12.2004)