Bild nicht mehr verfügbar.

Das Bewertungsgutachten von JPMorgan öffnet die Tore der VA Tech für Siemens nicht automatisch. Für die Aktionäre ist ein Zwischenstopp zum Nachrechnen angesagt.

Foto: APA/Techt
Wien - Die Investmentbank JPMorgan befindet in ihrem vom VA- Tech-Vorstand beauftragten Bewertungsgutachten ("Fairness Opinion"), dass sie die von Siemens gebotenen 55 Euro je Aktie "aus wirtschaftlicher Sicht für nicht angemessen hält". Das geht aus der bis dato unter Verschluss gehaltenen Beurteilung hervor.

Wörtlich heißt es in dem Geheimpapier: "Auf Basis der von JPMorgan vorgenommenen Bewertungsanalysen kommt der Vorstand der VA Tech zu dem Ergebnis, dass der Angebotspreis von 55 Euro pro Aktie unter dem (. . .) Unternehmenswert der VA Tech liegt."

Unangemessenheit

Begründet wird die Unangemessenheit des von Siemens mehrfach als "äußerst fair" bezeichneten freundlichen Übernahmeangebots in dem JPMorgan-Papier mehrfach. Die wichtigsten Punkte:

  • Die von Siemens verwendeten, auf "Equity Research Reports von Analysten" basierenden Ergebnisschätzungen für 2004 auf Ebene des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), des Vorsteuerergebnisses und des Jahresüberschusses seien nicht um so genannte Einmaleffekte bereinigt. Inklusive dieser Restrukturierungskosten für Wasser- und Energietechnik (in Summe 100 Millionen Euro) entstehe aber ein "verzerrtes" Bild von der operativen Performance des Übernahmekandidaten, heißt es. Zudem werde die Sanierung heuer abgeschlossen, weshalb die strukturelle Basis für die Ergebnisverbesserung "gerade nicht zu einem ,Bewertungsabschlag’ führen" sollte.

  • "Zu konservativ" sind demnach auch die zugrunde liegenden Ergebnisprognosen für 2005, die bis dato bei 54 Mio. Euro lagen. Auf Basis "vorsichtiger Annahmen" erwartet der VA-Tech-Vorstand neuerdings einen um 20 Prozent höheren Jahresüberschuss, also 66 Mio. Euro.

  • "Nicht reflektiert" sei in den 55 Euro je Aktie zweierlei: Der Rekordauftragseingang, der mit 4,13 Mrd. Euro Ende November zehn Prozent über dem Vorjahreswert liege. Damit seien bereits rund 70 Prozent der für 2005 geplanten Umsätze abgesichert. Auch der Abschluss des Restrukturierungsprogramms, das Verkäufe und Schließungen im Wasser- und Energietechnikbereich vorsah, sei außen vor, obwohl das die Fixkostenbasis "signifikant reduziert".

  • Ein echter "Heuler" ist jedoch der Gegenwartswert der existierenden steuerlichen Verlustvorträge, der als separater "Wertblock" ermittelt wurde. Die VA Tech verfügt nämlich nicht nur über 600 Mio. Euro steuerlich anrechenbare Verlustvorträge, wie in der Bilanz 2003 ausgewiesen, sondern über mehr als das Doppelte: rund 1,4 Mrd. Euro. Eine Milliarde davon entfällt auf in Österreich steuerpflichtige VA-Tech-Gesellschaften, die zeitlich unbegrenzt nutzbar seien. Die Qual der Wahl haben nun die Aktionäre - allen voran die Großaktionäre ÖIAG (14,7 Prozent), Goldman Sachs (5,16 %) und Fidelity (5,27 %). Sie müssen bis 9. Februar entscheiden, ob sie das freundliche Übernahmeangebot der Siemens AG annehmen - oder nicht. VA-Tech-General Klaus Sernetz war am Donnerstag zu keiner Stellungnahme bereit.(Luise Ungerboeck, Der Standard, Printausgabe, 17.12.2004)