Rudolf Nagiller

War es ein Polit-Stadl, wie der Akademie-Präsident theatralisch dröhnte? Oder ein politisches Mosaik, "wie es in dieser Komplexität noch nicht zu sehen war"? So die ORF-Moderatorin in Abwehr der gefährlichen Stadl-Punze. Hatte der Abend genug Tiefgang? Oder zu wenig, wie der engagierte STANDARD-Chef in die Runde rief? Gisela Hopfmüller hat ebenso recht wie Gerfried Sperl: Natürlich wurde wenig Tiefe geboten. Dafür aber eine beachtliche Breite. Der ORF hatte uns einen Autobus geschickt, keine Limousine. Beides zugleich geht leider nicht.

Klar, bei einigen Zuspitzungen wünschte ich mir Autobus und Limousine: Muzicant kontra Riess-Passer, Holender kontra Riess-Passer, oder der schwarze Lehrer ("Ich lebe hier, ich zahle Steuern, ich bin Österreicher") kontra Riess-Passer. Jedes Mal wäre ein langes und tief gehendes Streitgespräch fällig gewesen. Aber das sind verkehrswidrige Wünsche. Im Übrigen: Langweilige Strecken gibt es in Autobussen und Limousinen. Die Bischöfe sorgen verlässlich dafür. Ebenso die Sozialpartner: Warum gehen diese in eine Massensendung, wenn sie nur für ihresgleichen reden?

Aber Gott-sei-Dank bin ich nicht ausgestiegen. Dann hätte ich nämlich gleich darauf verpasst, wie sich wieder ein bisher unbeschriebenes Regierungsmitglied um Kopf und Kragen redete. Mares Rossmann, Tourismus-Staatssekretärin, sieht Austria on top of the world: Es wird nicht mehr mit Australia verwechselt. Die Mienen ihrer Schutzbefohlenen sagten alles.

Ein paar Schüler machten in Straßburg andere Erfahrungen. Mit Tränen in den Augen erzählten sie gleich am Sendungsanfang, wie sie praktisch gemobbt wurden. Dieser Start wirkte den ganzen Abend politisch weiter: Die Österreicher mussten trotz aller Differenzen irgendwie zusammenhalten. Und selbst die wenigen kritischen Ausländer konzedierten, dass es so nicht gemeint war.

Wolfgang Schüssel ging es sichtbar gut. Er wurde oft gelobt, und er konnte Platzhirsch sein. Fehlte womöglich die Hauptperson? Ja und Nein. Ja - weil von ihr ständig die Rede war. Nein - weil gerade dieses Mosaik nur ohne sie möglich war. Ein Kärntner Hotelier: "Bitte, mei Londeshauptmann, tue deine Aussogen einschränk'n. Tue amol a bissl nochdenken, mir holt'n des nimmer aus."

Rudolf Nagiller, ehemals Informationsintendant des ORF, lebt in Wien.