Neuen Strategien für einen effizienten Sonnenschutz auf der Spur, untersuchte Ruben Sommaruga vom Institut für Zoologie und Limnologie der Universität Innsbruck etliche Hochgebirgsseen im Gebiet des Himalaya. Diese befinden sich in einer Höhe von bis zu 5400 Metern und unterliegen extremen Umweltbedingungen. Die Ergebnisse zur UV-Strahlung, denen die Himalaya-Seen ausgesetzt sind, werden nun mit den Werten alpiner Hochgebirgsseen verglichen, die Sommaruga in vom Wissenschaftsfonds geförderten Studien ermittelt hat.

Gebirgsseen sind eine Welt für sich: Nährstoffarm und mit extremen Lebensbedingungen bieten sie nur wenigen Arten - hauptsächlich Mikroorganismen - eine Heimat. Mit selbst produzierten Sonnenschutzmitteln schützen diese sich vor der verstärkten UV-Strahlung in dieser Höhenlage und regenerieren entstandene DNA-Schäden am eigenen Organismus. Diese Erkenntnisse konnte der aus Uruguay gebürtige Südamerikaner an mehreren Hochgebirgsseen im alpinen Raum, den Anden und den Pyrenäen gewinnen: "Wenn wir verstehen, wie sich diese Mikroorganismen selbst gegen ultraviolette Strahlung schützen, können wir auch Strategien eines UV-Schutzes für Menschen entwickeln." Die Untersuchungen an den Hochgebirgsseen im Himalaya sind ein weiterer Schritt hin zum Verstehen. Diese Seen seien als Extremstandorte für alpine Forschung besonders wertvoll, erklärt Sommaruga. Die Seen liegen mitten im Khumbu Himal, neben dem Mount Everest das höchste Gebiet des Himalaya.

"Erste Ergebnisse zeigen, dass die Seen zu den transparentesten Gewässern der Welt gehören", erklärt Sommaruga. Die Konzentration an gelösten Huminsubstanzen (Produkte der Vermoderung) ist noch geringer als in den Hochgebirgsseen der Alpen. Diese Huminsubstanzen schwächen die UV-Strahlung ab. Sie sind der wichtigste Schutz der Gewässer vor ultravioletter Strahlung. Der Gehalt an Inhaltsstoffen einiger dieser Seen ist nur unwesentlich höher als im destillierten Wasser mancher Labors. "Trotzdem kommen einige Gewässerorganismen mit diesen extremen Bedingungen zurecht."

Ein Ergebnis früherer Feldforschungen ist, dass natürliche, UV-absorbierende Sonnenschutzsubstanzen, so genannte mykosporinähnliche Aminosäuren (MAA) in pflanzlichen (Mikroalgen) und tierischen (Zooplankton) Kleinstorganismen weit verbreitet sind. Untersuchungen der Mikroalgen aus Gebirgsseen verschiedener Höhenlage zeigten aber sehr unterschiedliche MAA-Konzentrationen, wobei die klarsten und flachsten Seen die höchsten Konzentrationen aufwiesen. Innerhalb der Seen nahm die MAA-Konzentration mit zunehmender Tiefe ab, was auf die Sonnenschutzfunktion dieser Substanzen hinweist.

Auch im Zooplankton, das diese Substanzen über die Nahrung aufnehmen muss, konnten MAA gefunden werden, jedoch nicht in allen der untersuchten Arten. Diese Unterschiede spiegeln die große Spannweite in der UV Empfindlichkeit dieser Tiere. Die Menge an MAA im häufig vorkommenden Kleinkrebs Cyclops stand in direktem Zusammenhang mit der Höhenlage und der Transparenz der Seen. Im jahreszeitlichen Verlauf zeigte sich in den Mikroalgen und dem Zooplankton ein klarer Trend von sehr hohen MAA-Konzentrationen in der eisfreien Zeit, und einem Minimum unter Eisbedeckung. Innerhalb der verschiedenen Lebensstadien des Ruderfußkrebses wurden die höchsten MAA-Konzentrationen in den Eiern und in den Larvenstadien gefunden, die jeweils zu Zeiten höchster UV-Strahlenintensität im See auftraten. Selbst später dann im Labor, ohne weiteren Zusatz von MAA-haltiger Nahrung, behielten diese Tiere über mehrere Monate ihre hohen MAA-Konzentrationen bei, was auf eine enorm effiziente Anpassung hindeutet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19. 12. 2004)