Schillernde Botschaften: "Weil es doch auch zu irgendetwas gut sein muss, bekannt zu sein"

Foto: Thomas Rottenberg
Wieso sind Menschen wie Jeannine Schiller so omnipräsent: Weil sie weder Hemmungen noch Genierer haben, sich und ihre Botschaft jedem, der ihnen über den Weg läuft, zu verkünden. Auch, wenn die Botschaft keine wirkliche ist.

Jeannine Schiller ist halt so, das wissen alle, nicht nur diejenigen, die regelmäßig im Fernsehen "seitenblicken". Frau Schiller steht auf Society-Events und wartet - auf den Beginn des Abends, auf das nächste Seitenblicke-Interview, auf Mausi Lugner. Und wenn gerade niemand mit ihr plaudern will, geht sie auf den nächstbesten Menschen zu - und erzählt Wildfremden ungefragt, dass sie soeben mit einem Redakteur von Woman beim Amtsarzt gewesen sei. Und der habe bestätigt, dass an Frau Schiller alles (ja, auch die Lippen) echt sei. Jeannine Schiller ist halt so.

Das echte Leben

Was aber, wenn die Botschaft nicht nur die eigenen Lippen sind? Genau. Nicht erst vor einem Jahr hat Jeannine Schiller gemerkt, dass es neben den Seitenblicken noch ein echtes Leben gibt. Aber das wissen die wenigsten Seitenblicke-Schauer, weil sie das nicht an die große Glocke gehängt hat. Ob das ein taktisches Manöver oder ein gut gelaufener Zufall war, bleibt vielleicht umstritten.

Engagement mit Erfolg: Charity-Modeschauen

Wie auch immer: Irgendwann hat Jeannine Schiller also begonnen, den Umstand, dass man ihr nicht entkommen kann, auszunutzen. Ebenso hemmungslos, wie sie sich selbst in Szene setzt, begann sie, sich für "die gute Sache" zu engagieren. Und es ist erstaunlich, welche Energien, Synergien, Sach- und Geldmengen die kleine, oft belächelte Frau da (für die ClinicClowns) aufzubringen vermag. "Sicherlich im mittleren sechsstelligen Bereich", sagt ein Lobbyist über die von Schiller regelmäßig organisierten Charity-Modeschauen.

Wenn sie darüber spricht, klingt das gar nicht nach den einstudierten Seitenblicke-Charity-Sätzchen, die fallen, wenn eine Dame im Pelz sich beim Punschausschenken filmen lässt - "weil es doch auch zu irgendetwas gut sein muss, bekannt zu sein. Aus welchen Gründen auch immer."

Image und Gegenteil

Freilich: Mit solchen Sätzen könnte sogar eine Christina Lugner auf Dauer ihr Image als ultraoberflächliche Societytante ernsthaft beschädigen. Schließlich gehören Tiefgang und Selbstreflexion (oder gar -ironie) nicht zu dem, was die Jobdescription ausmacht - eher im Gegenteil. Und es wäre auch geradezu geschäftsschädigend: Eine Jeannine Schiller, von der eh jeder weiß, dass sie etwa vom Hilfswerk Austria aufgrund ihrer langjährigen Charity-Arbeit zur "Botschafterin" ernannt worden ist, würde ein Michael Jeannée wohl kaum in ein Waisenhaus nach Beslan begeleiten - so etwas ist (nicht nur in der Kronen Zeitung) nämlich keine Geschichte.

Jeannine Schiller weiß das. Sehr gut sogar. Deshalb bleibt sie, wie sie ist und wer sie ist. Alles andere wäre dumm - und das ist Jeannine Schiller nicht. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe 18/19.12.2004)