Wien - Die Positionen der österreichischen Parlamentsparteien zur Frage eines EU-Beitrittes der Türkei prallten Sonntagabend in einem "Offen gesagt" in ORF 2 aufeinander. ÖVP-Europaabgeordnete Ursula Stenzel bezeichnete es als "kein gutes Signal", dass sich der EU-Gipfel nicht klar für den dritten Weg einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei ausgesprochen habe. SPÖ-Klubobmann Josef Cap vertrat die Meinung, dass weder die EU noch die Türkei reif für einen türkischen Beitritt seien.

Van der Bellen gegen "nationale Vetos"

Der Bundessprecher der Grünen, Alexander van der Bellen, warnte davor, gegen einen EU-Beitritt der Türkei Stimmung zu machen. Und FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch versprach, dass seine Partei auch künftig alles tun werde, um einen EU-Beitritt der Türkei zu verhindern.

Stenzel begrüße die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) angekündigte Volksabstimmung in Österreich. Die Türkei sei auf Grund ihrer Größe, des Bevölkerungsreichtums, des West-Ost-Gefälles und der Sicherheitslage "ein Sonderfall". Natürlich sei die Türkei ein wichtiger Partner der EU und "ein Bollwerk gegen Fundamentalismus und Terrorismus". "Wir können nur hoffen, dass das hält". Die Volksabstimmung zum Abschluss der Verhandlungen seien "die Nagelprobe". Daher müssten sich die Parteien jetzt binden.

Cap: EU und Türkei noch nicht reif

Cap bezeichnete es als "unverantwortlich", dass die EU-Staats- und Regierungschefs - "wissend, dass es in keinem Land eine Mehrheit für die Aufnahme der Türkei gibt" - die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ohne "Wenn und Aber" beschlossen hätten. Die zuletzt von Bundespräsident Heinz Fischer vertretene Idee einer europaweiten Abstimmung bezeichnete er als "interessanten Vorschlag". Entscheidungen dürften nicht über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen werden. Cap plädierte für eine soziale Union.

Van der Bellen warf der Bundesregierung Beschwichtigungspolitik vor. Der Vorschlag Schüssels zur Abhaltung eines Referendums in Österreich sei "Ausdruck kalter Füße". Die politische Führung in Österreich habe seit langem "bei der Aufklärung der Bevölkerung versagt". "Mir gefallen nationale Vetos in solchen Fragen überhaupt nicht, das gehört gesamteuropäisch entschieden", sagte Van der Bellen.

Scheuch forderte nach dem EU-Gipfel "Schadensbegrenzung". "Wir werden ganz klar weiterhin versuchen, den Vollbeitritt der Türkei zu verhindern." Durch eine Gesetzesvorlage im Verfassungsrang müssten künftige Regierungen verpflichtet werden, das Volk zu befragen. Man müsse die Sorgen der Menschen ernst nehmen, Gesetze seien da eher "zweitrangig", sagte Scheuch in der Diskussion. (APA)