STANDARD: Sie waren ja in den Achtzigerjahren Innenminister - jetzt übernimmt Liese Prokop dieses Amt, eine Frau von 63 Jahren. Ist das ein Signal, dass ältere Menschen in der Politik wichtiger genommen werden?

Blecha: Unabhängig von anderen politischen Wertungen: Natürlich ist das ein positives und erfreuliches Signal, dass Menschen mit 63 noch eine hohe Leistungsfähigkeit und ein Ministeramt zugetraut wird.

STANDARD: In den 60er- und 70er-Jahren war es wichtig, jung und jugendlich zu sein - hat sich da in den letzten Jahren etwas in der gesellschaftlichen Wahrnehmung geändert?

Blecha: Man muss das schon im historischen Kontext sehen: 1968 war eine weltweite Jugendrevolte, bei der verkrustete Strukturen aufgebrochen wurden. Da sind Schranken gefallen, weil bis dahin Jugend in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in der Politik nicht repräsentiert war. In der Politik war damals die Frage: Wie kann man der Jugend Bahn brechen?

Das war ja auch eine ganz andere Gesellschaft, eine viel jüngere Gesellschaft: Wenn man das hässliche Wort Reproduktionsrate verwendet, für die Zahl der Kinder pro Frau, dann lag die bei zwei, heute bei 1,2.

STANDARD: Das bedeutet andererseits, dass sich weniger junge Leute als damals gegen noch mehr ältere durchsetzen müssen?

Blecha: Die Senioren von heute sind doch ganz andere Alte als die Alten von damals . . .

STANDARD: . . . weil es dieselben Personen sind, die 1968 ihre Rechte als junge Menschen durchgesetzt haben?

Blecha: Das ist sicher ein wichtiger Punkt. Der andere ist, dass die ganz anders drauf sind. Die ganzen Fitnessprogramme wären doch für die Fanni-Tant', wenn man nicht auch das Hirn fit hält.

STANDARD: Aber das reicht nicht, um adäquat vertreten zu sein?

Blecha: Die politische Repräsentanz entspricht nicht dem Anteil der Senioren an der Bevölkerung, die wirtschaftliche schon gar nicht. Wir haben zwar - dank dem Engagement des damaligen Kanzlers Franz Vranitzky - ein Bundesseniorengesetz. Aber an den wesentlichen runden Tischen sitzen Senioren nicht dabei.

STANDARD: Und im Parlament schon gar nicht.

Blecha: Die Parteien tragen der Altersstruktur der Wählerschaft nicht Rechnung - sie versuchen nur, gewisse Persönlichkeiten herauszuputzen. Aber ich meine, dass es nicht davon abhängt, ob man zwei, drei Leute im Parlament hat, sondern ob es eine funktionierende Vertretung gibt, die auch gehört wird. Wenn ich Druck machen kann, ist mir das lieber als ein Nationalratsmandat. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2004)