In einer Resolution forderte die UN-Vollversammlung von der iranischen Regierung eine bessere Einhaltung der Menschenrechte. Die geistig behinderte und von ihrer Mutter zur Prostitution gezwungene Leyla M. steht dennoch vor ihrer Hinrichtung.

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New York/Teheran - Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat sich in einer nicht bindenden Resolution besorgt über Menschenrechtsverletzungen im Iran geäußert. Die Versammlung nahm die Erklärung am Montagabend in New York mit 71 zu 54 Stimmen (bei 55 Enthaltungen) an.

Die Resolution kritisiert Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, die Verfolgung von politischen Gegnern und Religionsdissidenten, willkürliche Verhaftungen sowie die Hinrichtung von Kindern.

Die iranische Regierung wird zu einer Justizreform mit dem Ziel aufgerufen, grausame und entwürdigende Strafen wie die Steinigung abzuschaffen. Vorerst reagierte diese Regierung aber nicht auf die Resolution. Im November, als ein Ausschuss der Vollversammlung den Resolutionsentwurf verabschiedet hatte, hatte die iranische UNO-Botschafterin Paimaneh Hasteh die Vorwürfe als unbegründet zurückgewiesen.

Die Resolution ist auch jenen Menschenrechtsaktivisten eine Bestätigung, die erst vorige Woche auf den Fall der geistig behinderten Leyla M. aus Arak im Zentraliran hingewiesen haben: Sie soll wegen "Vergehens gegen die Keuschheit" hingerichtet werden.

Vergewaltigt

Leylas bisheriger Lebensweg ist schockierend: Mit acht Jahren wurde sie von ihrer Mutter einem älteren Mann überlassen. Der vergewaltigte und schlug sie immer wieder. Einmal versuchte Leyla zu fliehen. Aber ihre Mutter brachte sie zurück.

Der Vater, ein arbeitsloser Straßenverkäufer, war nie imstande seine Familie zu ernähren. Leyla wurde immer wieder zur Prostitution gezwungen und es waren immer wieder die anderen, die dafür kassiert haben. Sie hat nie Geld bekommen.

Nun, als 18-Jährige, reagiert sie wie eine achtjähriges Kind. Von einer Reporterin nach ihren Wünschen gefragt meint sie, sie möchte nur Kartoffelchips haben. Als man sie das erste Mal zu dem älteren Mann gebracht hat, hat ihre Mutter ihr auch Kartoffelchips versprochen. Als sie mit neun Jahren schwanger wurde, hat sie nach der Entbindung ihrer Zwillinge auch nach Kartoffelchips verlangt.

Der Richter, der sie im November verurteilte, meint aber, dass Leyla voll zurechnungsfähig sei und dass man die islamische Gesellschaft von "solchem Gesindel" reinwaschen müsse. Den Prozessverlauf durfte keine Zeitung veröffentlichen. Die iranischen Journalisten haben nur auf Internetseiten ausführlich darüber berichtet.

Die liberalen Zeitungen und Journalisten haben versucht, den Richter milde zu stimmen. Alles blieb bis jetzt erfolglos. Auch eine Intervention der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi wurde von der iranischen Justiz nicht ernst genommen.

30.000 Straßenkinder

Leylas Dasein ist nur ein Beispiel. Allein in Teheran leben rund 30.000 Straßenkinder, die laut offiziellen Angaben zu 95 Prozent seelisch misshandelt und körperlich ausgenützt werden. Und es existieren auch 50.000 Prostituierte. Eine Parlamentsabgeordnete der konservativen Fraktion hat bereits vorgeschlagen, zur Bekämpfung des Straßenstrichs hundert Prostituierte hinzurichten. "Dann haben wir das Problem gelöst", meinte sie. Leyla steht nun vor so einer Hinrichtung. Als eine Journalistin ihr sagte, was für ein Schicksal sie erwartet, hat sie keine Reaktion gezeigt. Sie fragte nur neugierig, ob Engel auch Kartoffelchips mögen. "Ja", antwortete die Journalistin. Und Leyla lächelte zufrieden. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2004)