Hundertausende Internetuser sind traurig und schreiben darüber. "Mein Leben ohne BT" beginnen viele Diskussionen auf den einschlägigen Internetforen. Oder mit Beschimpfungen der Anwälte der Filmindustrie. Ihre Lieblingsseiten - jene mit BitTorrent-Trackern zum nicht wirklich legalen Download von Filmen - sind inhaltsleer, heruntergefahren, verschwunden.

Mehr als eine halabe Million User täglich

Die bekannteste, SuprNova.org, eine Seite mit Basis in Slowenien und mehr als einer halben Million Besucher täglich, hat praktisch über Nacht ihre virtuellen Rollbalken für immer heruntergelassen. Selbst geschlossene Foren, in die man nur über Einladung anderer User hineinkam (wie etwa die Kultfilmseite www.delirium-vault.com), haben alle Torrents (Files, die einen Link zu einer Filmdatei auf einer Festplatte eines Users darstellen) von ihren Seiten verbannt.

"Napster"

Die Freibeuter der digitalen Meere, die sich mit Hingabe dem vermutlich illegalen Austausch von Filmen hingaben, erleben derzeit quasi ihr "Napster": Napster war die von einem Uni-Dropout entwickelte, über Nacht populäre und illegale Musiktauschbörse - bis sie von der Musikindustrie in Grund und Boden geklagt wurde und zusperrte. Heute betreibt RealNetworks nach Erwerb der Marke aus der Konkursmasse unter dem Namen Napster einen legalen, gebührenpflichtigen Musikdienst.

BitTorrent als Vehikel

BitTorrent hat sich dabei in den beiden vergangenen Jahren als die gängigste Form etabliert, um den Filmaustausch zu organisieren. Entwickelt wurde das System von dem Programmierer Bram Cohen - nach eigenen Angaben nicht, um damit illegale Filmbörsen zu betreiben, sondern um riesige Dateien möglichst effizient über das Internet zu transportieren. Weil es für legale Zwecke und nicht für die Verwendung im "Untergrund" entwickelt wurde, sei es auch eine leichte Beute für die Angriffe der Filmindustrie geworden, sagte Cohen gegenüber dem Nachrichtendienst CNet.

"Hubs"

Denn um zu funktionieren, braucht BitTorrent "Hubs", Drehscheiben, über die die Hilfsprogramme verteilt werden, damit der Download der Filme schließlich von User zu User funktionieren kann. Diese Hubs sind dadurch leicht ausnehmbare Zielscheiben: Setzt man die Betreiber durch Klagen unter Druck, kommt auch der Austausch der Filme weit gehend zum Erliegen. Genau diese Strategie wurde von den Anwälten der MPAA (Motion Pictures Association of America) gewählt: Sie setzten vergangene Woche weltweit rechtliche Schritte, um den Hub-Betreibern das Handwerk zu legen. Mit Erfolg, wie die Freunde des illegalen Filmkonsums in aller Welt seit wenigen Tagen feststellen können.

"Der Hauptgrund, warum die Geschichte so groß werden konnte, liegt darin, dass es nicht früher bekämpft wurde."

"Es ist verrückt, dass das nicht früher passierte", sagt Cohen. "Der Hauptgrund, warum die Geschichte so groß werden konnte, liegt darin, dass es nicht früher bekämpft wurde." BitTorrent selbst wird damit nicht verschwinden: Die Technologie wird auch bei einer Reihe legaler Anwendungen benutzt, etwa zur Distribution des Linux-Betriebssystems und zur Verteilung von Spielen über das Netz. Die Distributoren ersparen sich dabei viel eigene Kapazität, indem sie ihre Kunden de facto zu ihren Gehilfen in der Verteilungskette machen. (Helmut Spudich Leo Szemeliker, DER STANDARD Printausgabe 22.12.2004)