...Und es gemeinsam betreiben – für israelische und palästinensische Patienten

Eigentlich ist das eine typische Weihnachtsgeschichte: Zwei Männer, Jude der eine und Palästinenser der andere, treffen einander Mitte der 60er-Jahre in Wien. Beide studieren Medizin, werden Freunde und bleiben auch als fertige Ärzte miteinander in Kontakt. Den Juden führt eine große Karriere nach Berlin, Tel Aviv und in alle Welt, der Palästinenser lässt sich in Wien nieder und gründet hier eine Praxis. Die Kriege in Israel, die Intifada, die blutige Geschichte der letzten Jahrzehnte können der Freundschaft nichts anhaben: Beide hoffen, wenn sich die Dinge zum Besseren wenden, wie es nach der Aussöhnung zwischen Israel und Ägypten scheint, beide leiden und bangen um Familie und Freunde, wenn wieder einmal eine Attentatswelle Israel erschüttert.

Und sie haben eine gemeinsame Idee, die auf den ersten Blick wie ein Hirngespinst scheint: Sie wollen ein Spital bauen. In Israel. Und nicht irgendwo in Israel, sondern just auf dem Streifen Land zwischen dem Negev und der palästinensischen Gaza-Region, auf dem jetzt eine Mauer die verfeindeten Nachbarn trennen soll. Ein Spital für Neonatologie, in dem israelische und palästinensische Mütter Seite an Seite ihre Kinder zur Welt bringen sollen. Ein Krankenhaus, an dem von der ersten Skizze am Architektentisch über den Bau bis zum Management und der Belegschaft zur Hälfte Juden und Palästinenser arbeiten sollen.

Wenn der jüdische Arzt Michael Stark von seinem Plan erzählt, leuchten seine Augen ebenso wie die des palästinensischen Arztes Maher Damen- Barakat. Für beide ist es längst kein Traumgespinst mehr, sondern ein konkretes Projekt, das sie "Birthing Together" genannt haben. Ende September dieses Jahres treffen einander eine israelische und eine palästinensische Delegation, bestehend aus Ärzten, Architekten und Intellektuellen in Brüssel, um der EU und der Öffentlichkeit die Pläne für ihr Spital vorzustellen. In dem Einzugsgebiet zwischen Eshkol und Deir el Balah leben 450.000 Palästinenser und 150.000 Israelis, der dort gelegenen Kibbuz Kissufim und die benachbarte palästinensische Stadt Deir el Balah stellen die Baugründe zur Verfügung. Das Spital ist auf 100 Betten ausgelegt: 40 in der Gynäkologie, 30 in der Urologie und Chirurgie, 30 in Allgemeinmedizin. Rund 200 Angestellte sollen hier Arbeit finden, die Baukosten wurden mit 30 Mio. Dollar veranschlagt.

Eine perfekte Weihnachtsgeschichte wäre es, wenn man schreiben könnte, die zuständigen Politiker und Beamten in der EU und WHO hätten tief beeindruckt 30 Millionen Dollar herausgerückt und es den Projektbetreibern mit Gottes Segen für das Gelingen ihres Werkes auf den Weg mitgegeben. Aber dann wäre die Geschichte ein Märchen, und die sind immer schon geschehen. Diese Geschichte geht weiter, weil sie von den Palästinensern, den Israelis und mittlerweile einer internationalen Unterstützergruppe aus aller Herren Ländern weitergetrieben wird. In Israel arbeiten sie daran, die Politiker zu überzeugen. Mit dem Tod Yassir Arafats ist die Hoffnung auf Entspannung gewachsen und auch darauf, dass ein Spital gebaut werden kann, wo jetzt Grenzzäune wachsen. In Europa und den USA arbeiten die Freunde des Projektes daran, das Geld dafür aufzustellen. Wie es aussieht, dürfte das die leichtere Übung sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2004)