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Werden die USA während "four more years" für Bush zu einem autoritären Staat, in dem Recht und Gesetz immer weniger gelten oder verbogen werden. Da sei die ACLU vor, meint Nadine Strossen im Gespräch mit Michael Freund .


New York – Der erste und wichtigste Zusatz zur US-Verfassung garantiert unter anderem Pressefreiheit und das Recht auf freie Rede. Der "Freedom of Information Act" wiederum ermöglicht seit 1966 den Zugang zu Behördeninformationen. Die Kombination dieser rechtlichen Mittel hilft der American Civil Liberties Union in ihren Aktivitäten für die Gewährung der Bürgerrechte – wie die jüngste Entwicklung im Abu-Ghraib- Skandal zeigt. Die Ziele der ACLU sind aber viel breiter, sagt deren Präsidentin Nadine Strossen.

DER STANDARD: Zurzeit haben die Rechte der Wähler, der Patriot Act und gleichgeschlechtliche Ehen hohe Priorität unter den vielen Anliegen, für die Ihre Bürgerrechtsorganisation eintritt. Warum?

Nadine Strossen: Bei den Wahlen wurden besonders Arme und Schwarze diskriminiert. Wir treten für eine legislative und technologische Reform ein, damit 2008 fair verläuft. In Sachen Patriot Act argumentiert die Regierung ständig mit der "nationalen Sicherheit", obwohl es längst um Dinge geht, die mit Terrorismus nichts zu tun haben.‑ Es wird gerade darüber nachgedacht, von allen Studenten der USA Daten zentral zu sammeln. Darüber sind auch einige Konservative im Kongress bestürzt. Und gleichgeschlechtliche Ehen oder Zivilgemeinschaften sind in elf Staaten durch Verfassungsänderungen unterbunden worden. Das stößt vor allem bei der College-Jugend auf wachsendes Unverständnis. Eine Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof allerdings ist äußerst unwahrscheinlich.

DER STANDARD: Das klingt nicht gerade ermutigend. Was können Sie tun?

Strossen: Breiteste Koalitionen eingehen, um auf die Legislative einzuwirken.

DER STANDARD: Und wenn das Weiße Haus seine Agenda dennoch durchbringt?

Strossen: Das wird nicht leicht sein, weil auch das Misstrauen gegen zu viel präsidentielle Macht wächst. Es wird zum Beispiel Bush kaum gelingen, allzu konservative Richter in den Obersten Gerichtshof zu berufen. Falls aber, wie im Fall der ungesetzlichen Festnahme asiatischer Einwanderer nach 9/11, die nationalen und die internationalen Anrufungen und Beschwerden nichts nützen, dann wird's schwierig. Dann müsste wohl auch ein Pazifist wie ich sagen, dass man Gewalt brauchen wird. Aber hoffen wir, dass das rein hypothetisch ist.

Eine Probe aufs Exempel wird die Anhörung von Alberto Gonzalez für das Amt des Justizministers sein. Das ist jemand, der Bush dabei beraten hat, wie man amerikanische und internationale Gesetze umgehen kann! Immerhin aber gibt es sogar ranghohe Offiziere, die ähnlich wie wir die Zustände in Guantánamo scharf verurteilen, aus der pragmatischen Überlegung heraus, dass die Missachtung der Gesetze auch amerikanische Soldaten gefährden wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2004)