Gerade heuer hat die Weltwirtschaft das stärkste Jahr seit eineinhalb Jahrzehnten erlebt, doch Europa und in seiner Mitte Österreich kann von solchen Verhältnissen nur träumen. Der seit mindestens drei Jahren herbeigebetete Aufschwung kommt auch 2005 nicht daher. Die Wachstumsraten von knapp über zwei Prozent kosten in den USA und Asien bestenfalls einen Lacher.

Welch Lichtblick, dass Österreich 2005 wenigstens in den Segen einer Steuerreform kommt, wird Finanzminister Karl-Heinz Grasser nicht müde zu betonen. Und es stimmt. Die früher häufig geübte Kritik, dass die Steuerreform zeitlich falsch angelegt sei, weil sie aus wahltaktischen Gründen mitten in den Konjunkturaufschwung hineinplatziert wurde, muss zurückgenommen werden. Die Steuerentlastung kommt nun mit viel Glück zu einem Zeitpunkt, da sie Österreichs Wirtschaft bitter nötig hat. Ohne die zusätzlichen Wachstumsimpulse von 0,2 bis 0,3 Prozent aus der Steuerreform wäre die Konjunktur 2005 genau so matt wie heuer.

An der inhaltlichen Kritik an der Steuerreform ändert das aber überhaupt nichts. Es lag in Grassers Hand, statt budgetär ungedeckte Schecks an wenige Großkonzerne zu verteilen, die Konjunktur per Entlastung der unteren und mittleren Einkommen tatsächlich nachhaltig zu stimulieren.

Ein Beispiel von IHS-Chef Felderer zeigt: Steigt der Eurokurs lediglich auf 1,40 zum US-Dollar, sind alle Wachstumseffekte aus der Steuerreform schon wieder aufgefressen. Oder: Allein der Umstand, dass heuer drei Arbeitstage mehr als 2003 waren, ließ das Bruttoinlandsprodukt um 0,1 Prozent oder um den halben Steuerreformeffekt steigen. Grassers Steuerreform hat mit Konjunkturpolitik also nicht viel am Hut, er hat einfach Glück. (DER STANDARD Printausgabe 23.12.2004)