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Würde Yuganskneftegas in ein Gazprom-Rosneft-Unternehmen eingegliedert, stiege die Ölförder-Kapazität von Gazprom auf täglich 1,6 Millionen Barrel, erklärte die Unternehmensberatung PFC Energy mit Sitz in Washington. Dies entspreche der Kapazität der größten internationalen Ölkonzerne.

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Donnerstagnacht um 0.00 Uhr löste sich das skandalbehaftete Rätsel rund um die Zwangsversteigerung von 77 Prozent der Yukos-Hauptfördertochter Yuganskneftegas. Die unbekannte Baikalfinansgrup (BFG), die als Vehikel das Filetstück erworben hatte, wurde im Nachhinein zu 100 Prozent von der rein staatlichen Ölgesellschaft Rosneft übernommen. Damit geht Yukos offiziell in Staatsbesitz oder – wie gemeinhin angenommen wird – in die Hände der Präsidentenumgebung – über. "Mit absolut marktwirtschaftlichen Mechanismen sichert sich der Staat seine Interessen", meinte Präsident Wladimir Putin.

Rosneft kontrolliert fortan 15 Prozent der russischen Ölproduktion. Laut Rosneft-Vertreter Alexandr Stepanenko plane die Rosneft-Führung, den Konzern durch Entwicklung der Produktionskapazitäten in eine nationale Energiegiganten zu verwandeln.

Rosneft selbst hatte im Vorjahr mit einer Erdölförderung von 21 Mio. Tonnen und sieben Mrd. Kubikmeter Gas eine Kapitalisierung von rund 6,3 Milliarden Dollar. Im Konzern, dessen einziges Büro für Europa übrigens in Wien ist, haben Präsident Sergej Bogdantschikow und Aufsichtsratschef Igor Setschin das Sagen. Setschin ist Vizeadministrationschef Putins und gilt als Kopf der in den letzten Jahren zur Staatsmacht aufgestiegenen "Petersburger Tschekisten". Es heißt, dass der 44-Jährige die Jelzin-Großfamilie definitiv aus den staatlichen Einflussposten vertrieben und den Masterplan gegen den Ölkonzern verfasst hat.

Unter Insidern wird seine besondere Nähe zu Putin betont: "Sagen wir Setschin, meinen wir Putin." Dass Yukos einem Staatskonzern zufallen würde, hatten die meisten Experten vermutet. Als Favorit galt die Gaspromtochter Gaspromneft, die aber nach dem US-Gerichtsurteil aus Furcht vor Sanktionen einen Rückzieher machte. Nun ist der Monopolgigant Gasprom aber noch nicht definitiv aus dem Spiel, da laut Gasprom am Fusionsplan mit Rosneft festgehalten wird.

Fusionspläne

Ursprünglich hätte Rosneft über Gaspromneft mit Gasprom fusionieren sollen, damit der Staat bei Gasprom seinen Anteil von 38,37 Prozent auf das Kontrollpaket erhöht. Dafür hätte aber die bisherige Größe von Rosneft nicht ausgereicht. Als Einschätzung kursiert allerdings auch, dass in einem kremlinternen Machtkampf Rosneft mit der jetzigen Auktion Gasprom ausgebremst und die eigene Eingliederung in den Gasmonopolisten verhindert hat.

Unter Ökonomen wird nicht nur die skandalöse Art der Auktion, sondern auch die Reprivatisierung selbst als fatal erachtet. Sie schade dem russischen Investitionsklima zutiefst, da die private Eigentumssicherung angesichts des regellosen und selektiven Vorgehens gegen das Unternehmen bedroht werde und eine weitere Kapitalflucht zu befürchten sei. Die Aktion wird als widersinnig erachtet, da ein Privatkonzern in den Staatssektor übergeführt wird, der nach einer Weltbank-Studie weitaus weniger effizient arbeite, als der Privatsektor.

42 Prozent der russischen Betriebe – und das sind vor allem Staatsbetriebe – sind defizitär. Überdies war gerade Yukos ein Vorzeigemodell der Effizienz und Transparenz. So wird auch nicht ausgeschlossen, dass dem Land beizeiten die Gefahr einer Stagnation droht. Dies vor allem, weil die Staatskonzerne bei Investitionen nachhinken. Das Wirtschaftswachstum, das derzeit noch fast sieben Prozent beträgt, wird nächstes Jahr zumindest deutlich abfallen. Die Yukos-Mehrheitseigentümer wollen nun neben Rosneft auch den russischen Staat selbst in ihre Klage vor dem US-Gericht einbeziehen.(Eduard Steiner aus Moskau, Der Standard, Printausgabe, 24.12.2004)