Die "Toxic Titties" konter-karieren den Anspruch der Architektur: Dorit Margreiters Installation "10104 Angelo View Drive".

Foto: Mumok

In "10104 Angelo View Drive" porträtiert Dorit Margreiter ein Haus in L. A., das als Location mehrerer Hollywood-Filme diente. Das Mumok und A1 erwarben die Installation, die bis 16. Jänner zu sehen ist, um rund 20.000 Euro.


Wien - Im Mittelpunkt der Filminstallation von Dorit Margreiter steht das spätmodernistische Einfamilienhaus des US-Architekten John Lautner am 10104 Angelo View Drive in Los Angeles. In den frühen 70er-Jahren wurde es von James Goldstein, unter anderem Besitzer eines Fernsehsenders, erworben und teilweise adaptiert. Seit damals fungierte das Haus immer wieder als Schauplatz für Hollywood-Produktionen (u. a. "Charlie's Angels", "Diamonds are Forever" oder "Playing God"), in dem ausschließlich ähnlich abgründige Charaktere wie der Pornoproduzent Jackie Treehorn residierten. Dieser füllte im Film "The Big Lebowski" den "Dude" mit Halluzinogenen ab, die ihn samt Bowlingkugel abheben ließen.

Die in Wien und Los Angeles lebende Künstlerin beleuchtet das utopistische Moment der Architektur, das offensichtlich latente Fantasien des Unheimlichen zutage fördert. Ein 16-mm-Film, der im Zentrum der Installation steht, dokumentiert die architektonischen Details, die mit einer statischen Kamera aufgenommen wurden.

Vor dieser laufen die Hightech-Raffinessen ab, die für die Extravaganz der Architektur maßgeblich sind: Zwei Glasscheiben bewegen sich langsam auseinander und geben die Sicht auf Los Angeles frei, ein Dachfenster schiebt sich zur Seite, und aus einem massiv wirkenden Zementblock fährt auf Knopfdruck ein TV-Gerät hoch. Die sich selbsttätig bewegende Architektur lenkt hier den Blick der Betrachter und ersetzt den Kameraschwenk, der mit seiner manipulativen Wirkung vermieden wird.

Das, was sich außerhalb des Bildrahmens abspielt, präsentiert Margreiter im Ausstellungsraum. Neben dem frei schwebenden Screen, auf den der tonlose Film projiziert wird, rattert die Mechanik der Apparatur, und Stellwände, die üblicherweise als Lichtreflektoren fungieren, trennen die Filmbilder auch räumlich von dem Monitor, auf dem die Credits ablaufen. Dieser befindet sich auf einem Sockel, der sich als Nachbildung des im Film zu sehenden Betontisches erweist. Das Set-up der Ausstellung, in dem die Versatzstücke der Kinematografie asynchron präsentiert werden, ermöglicht die Reflexion der filmischen Repräsentations- und Produktionslogik.

Sexorgien, Maskeraden

In ihrem Film geht die Künstlerin aber auch über die Analyse der medialen Konstrukte und Projektionen hinaus. Sieben kurze Sequenzen, in denen die Performances der kalifornischen Gruppe "Toxic Titties" in Lautners Gebäude angedeutet werden, konterkarieren den spätmodernistischen Anspruch der Architektur mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Anliegen der Performerinnen.

Diese manifestieren sich in den Sexorgien, Maskeraden und Doktorspielen, die um Globalisierungseffekte, Biotechnologie und Körperpolitik kreisen. Die "cleane" Ästhetik des Hauses, in dem ursprünglich sogar ein Fernseher störte, wird durch die körperbetonte Belagerung massiv durcheinander gebracht. Aber nach der Okkupation durch das Böse zieht mit der Frauen-/Lesbengruppe auch eine Lebensform in das Gebäude ein, die die weiten Räume und den Swimmingpool des Hauses auch ganz gut zu nutzen weiß. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25./26.12.2004)