Potsdam/Wien - Das verheerende Erdbeben in Sumatra gehört nach Einschätzung des Geoforschungszentrums in Potsdam (GFZ) zu den bisher stärksten Beben. "Das ist wahrscheinlich eines der größten Beben, die auf der Erde registriert worden sind", sagte der GFZ-Seismologe Prof. Rainer Kind am Sonntag in Berlin. "Das war eines der sehr wenigen großen, starken Beben." Die Stärke auf der Richterskala habe zwischen 8,2 und 8,9 betragen. Dies müsse noch genau bestimmt werden.

Der Zeitpunkt des Bebens ist laut Kind "völlig unvorhersehbar" gewesen. Allerdings handele es sich bei Sumatra um eine typische Subduktionszone, bei der sich Erdschichten übereinander schieben. "Da wird der Meeresboden unter dem Kontinent verschluckt."

Besonders gefährdete Zonen

"Diese Zonen sind besonders gefährlich, weil dort immer wieder die stärksten Erdbeben auftreten können, die es auf der Erde überhaupt gibt", sagte der Leiter der GFZ-Sektion Seismologie. "Dort verhaken sich die beiden Schichten." Wenn die Festigkeit von der Spannung übertroffen werde, komme es zum Bruch. "Dann schießt der Meeresboden mit einem Ruck nach unten und der Kontinent bewegt sich ruckartig nach oben."

Folge ist eine Flutwelle, ein gefürchteter Tsunami. "Wenn das unter Wasser geschieht, entsteht eine Flutwelle, die sich über den ganzen Ozean ausbreitet mit der Geschwindigkeit eines Passagierflugzeugs", sagte Kind. Im Pazifik gebe es deswegen ein Tsunami-Warnsystem, im Indischen Ozean ist dem Wissenschaftler keines bekannt. "Auf dem Ozean selbst ist die Flutwelle nicht sehr hoch, aber wenn sie auf die flache Küste trifft oder auf enge Hafeneinfahrten kann sie sich auf bis zu 30 Meter auftürmen."

"Die ganze Zeit starke Nachbeben"

Ein Ende des Schreckens ist nicht in Sicht: "Erdbeben gibt es die ganze Zeit, seit heute morgen." Laut Kind handelt es sich dabei um zum Teil sehr starke Nachbeben. "Das ganze Gebiet über fast 1.000 Kilometer ist von Sumatra bis zu den Andaman-Inseln gebrochen." Deswegen sei auch weiter mit starken Nachbeben und in der Folge mit Flutwellen zu rechnen. "Das kann sich durchaus länger hinziehen."

Tsunami-Flutwellen

Das Beben hatte laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien sein Epizentrum in der Nähe der Nicobar-Inseln vor der Küste von Malaysia und wies eine Magnitude von 8,5 auf. Messungen amerikanischer Seismologen sprachen sogar von einer Stärke von 8,9. Zuletzt war im Prinz-William-Sund in Alaska 1967 ein stärkeres Beben registriert worden, es erreichte einen Wert von 9,2 gemessen nach der wissenschaftlichen Skala der Moment-Magnitude.

Ein Tsunami, was japanisch so viel wie "Hochwasser" bedeutet", war die Folge. Diese Flutwelle betrifft laut dem Seismologen Wolfgang Lenhardt vom ZAMG den gesamten Indischen Ozean. Tsunami-Flutwellen, die von Erdbeben, Erdrutschen oder Vulkanen unter der Wasseroberfläche verursacht werden, können Geschwindigkeiten bis zu 800 km/h erreichen und damit binnen weniger Stunden einen ganzen Ozean überqueren. Zwar können Naturwissenschafter Tsunamis voraussagen, Bewohnern von Küstenregionen bleibt aber oftmals nicht mehr genug Zeit, sich vor den bis zu 35 Meter hohen und 150 bis 300 Kilometer langen Wellen in Sicherheit zu bringen.

Die bisher schwerste Tsunami-Katastrophe wurde am 27. August 1883 vom Ausbruch des Vulkans Krakatau ausgelöst. Eine 30 Meter hohe Welle brandete damals an die Küsten von Java und Sumatra, mehr als 36.000 Menschen kamen ums Leben.

Weitere folgenschwere Flutwellen:

3. März 1933: Nach einem Beben der Stärke 8,3 auf der Richterskala sterben in Japan über 3.000 Menschen durch eine Flutwelle.

7. Dezember 1944: Nach einem Beben der Stärke 7,2 kommen ebenfalls in Japan 1.300 Menschen durch einen Tsunami um.

1. April 1946: 165 Menschen sterben bei einem Tsunami an der Küste Alaskas. Auslöser war ein Beben der Stärke 7,8 auf der Richterskala.

22. Mai 1960: Eine Killerwelle hinterlässt in Chile zwischen 500 und 2.000 Tote. Der Tsunami folgte auf ein Beben von 8,6 auf der Richterskala.

17. August 1976: Auf den Philippinen sterben 5.000 Menschen durch eine Flutwelle. Sie wurde ebenfalls von einem Beben der Stärke 7,8 ausgelöst.

12. Juli 1993: 250 Menschen kommen in Japan um, als sie von einer Flutwelle erfasst werden. Das vorangegangene Beben hatte die Stärke 7,8.

17. Juli 1998: In Papua-Neuguinea sterben bis zu 8.000 Menschen. Zwei Beben von einer Stärke bis zu sieben auf der Richterskala hatten den Tsunami ausgelöst.

9. September 2002: Eine von einem starken Erdbeben verursachte Flutwelle spült Dutzende Häuser an der Küste des Pazifikstaates Papua-Neuguineas ins Meer. Drei Menschen kommen ums Leben, mehr als 2.000 werden obdachlos. (APA/AP)