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Die Welle kommt - hier in Penang

Foto: Reuters
"Ich habe wirklich ein wahnsinniges Glück gehabt. Wenn ich um zehn schon am Strand gewesen wäre, wie sonst oft, weiß ich nicht, was jetzt mit mir wäre". Dieter Schmidt (62), Vater der STANDARD-Redakteurin Colette M. Schmidt, wollte mit seiner Lebensgefährtin in Patong auf der Ferieninsel Phuket zwei Monate Urlaub vom steirischen Winter nehmen - und überlebte eine Naturkatastrophe. Als er kurz vor zehn Uhr vormittags sein Hotel in Richtung Stadt verließ, um einzukaufen, war noch alles ruhig, das Wetter schön, mit 30 Grad "angenehm warm". Zwei vorangegangene Seebeben waren auf Phuket um sieben und halb acht Uhr morgens nur relativ schwach zu spüren gewesen.

"Aber um fünf nach zehn war plötzlich der Teufel los. Die Leute haben geschrien und sind alle in die selbe Richtung gefahren und gelaufen. Ich habe mir sofort gedacht, es gibt einen Aufstand!" Denn Schmidt war zu Hause gewarnt worden, nicht in den Süden des Landes zu reisen. Erst am 24. Dezember waren zwei Menschen im südthailändischen Sungai Kolok, einem Touristenort an der Grenze zu Malaysia, bei einem Bombenattentat getötet worden. In drei Provinzen im Süden Thailands herrschen separatistische Unruhen zwischen extremistischen Moslems und Buddhisten.

Die Welle kommt

"Aber dann habe ich gemerkt, dass alle in Richtung Meer laufen", erinnert sich Schmidt. "Das Meer war plötzlich weg, es hat sich richtig zurück gezogen und alles aufgesaugt. Dann schoss aus dem Untergrund ein riesige Welle heraus. Die hat alles mitgerissen, Boote, Lkw, Mopeds, ganze Geschäfte."

Weil man mit einer zweiten Flutwelle rechnete, wurde Schmidt mit anderen Touristen und Einheimischen auf die höchste Erhebung der Umgebung, einen 170 Meter hohen Berg gebracht. "Dort haben wir mit tausenden anderen Menschen drei Stunden verbracht."

Später, wieder unten, wurde dem Österreicher das traurige Ausmaß der Katastrophe bewusst: "Auf dem Weg zum Hotel sahen wir nicht nur Möbel herum schwimmen, sondern auch Körperteile von Menschen." Während Hotels, die unmittelbar am Strand lagen, teils völlig zerstört wurden, hielt sich der Schaden beim Hotel des Grazers in Grenzen. "Die Flutwelle ist wenige Meter vor unserem Hotel zum Stehen gekommen."

Ein weiterer Österreicher, Kurt Jost, saß gerade im neu renovierten "Friendship Beach Resort" an der Ostküste Phukets rund 20 Meter vom Strand entfernt bei Spiegeleiern und Schinken beim Frühstück, als die Flut kam. "In Sekunden trieben wir mit dem Wasser bis zum Hals."

"Wir hatten weder eine Welle gehört noch gesehen", schilderte Jost. Im nächsten Augenblick fand sich der Urlauber etwa 30 bis 40 Meter weiter auf einem Billardtisch: Überall schwammen "schreiende Menschen, Stühle, Tische, Eimer, jede Menge Plastik, Kisten, Flaschen".

"Nach einem Moment der Verwirrung suchte und fand ich meine Frühstückspartner. Völlig verdreckt wie auch ich selbst, aber heil", so Jost.

Auch sechs Oberösterreicher überstanden das Seebeben in Phuket und auf den Malediven unbeschadet: Sie konnten sich auf ein Dach ihres Hotels beziehungsweise auf einen Hügel flüchten.

Auf dem Flugzeug

In Male, der Hauptstadt der Malediven überlebte der Pilot Dieter Malina (43) die Flutwelle auf dem Dach seiner Maschine. Der aus Österreich stammende Malina befindet sich zur Zeit in Male, wo er bei der Überführung eines Flugzeugs nach Jakarta einen Tankstopp eingelegt hatte.

"Tanken konnte ich noch, aber dann kam die große Flutwelle und überschwemmte alles. Ich konnte mich auf das Dach meines Flugzeugs retten. Viele Menschen am Flughafen wurden durch umherwirbelnde Container oder Fahrzeugteile verletzt.

Auf dem Flughafen von Male stünden sieben Großraumflugzeuge, die ebenso wie viele kleinere darauf warteten, dass der Airport wieder geöffnet wird. "Etliche deutsche Urlauber hier kämpfen mit dem Schrecken und haben zum Teil all ihre Habseligkeiten verloren. Manche berichteten, dass gesamte Hotelanlagen ins Meer gespült wurden."

Die Flutwelle war mit riesiger Wucht auf die Insel geprallt. "An der Kaimauer wurden tonnenschwere Steine losgerissen und ins Meer gespült", sagte Malina. Das sei jedoch alles kein Vergleich zu den Verwüstungen auf zahllosen kleinen Malediven-Inseln, die teilweise nur ein bis zwei Meter aus dem Meer herausragten: "Was auf den Atollen los ist, wage ich mir gar nicht vorzustellen." (Der Standard, Printausgabe, 27.12.2004)