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Ökonomen greifen nach juristischen Kernberufen

Foto:APA/Gindl

Georg studiert Wirtschaft und Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Rechtswissenschaften am Juridicum. "Viele fahren auf diese Weise doppelt", erzählt er, "das liegt daran, dass die meisten Studenten sich anfangs noch nicht sicher sind, ob sie später in der freien Wirtschaft oder vielleicht doch als Anwalt oder Richter arbeiten wollen".

 

Nur für Juristen

Um diese juristischen Kernberufe ausüben zu dürfen, ist nämlich nach heutiger Lage ein Abschluss als Volljurist auf einer rechtswissenschaftlichen Fakultät nötig. Wer bisher an der Wirtschaftsuni Wien (WU) das Spezialprogramm "Wirtschaft und Recht" studierte, war nach dem erfolgreichen Abschluss aber "nur" Mag.rer.soc.oec und nicht Mag.jur.

Mit der im Rahmen des "Bologna-Prozesses" notwendig gewordenen Umstrukturierung der Studienpläne möchte die Wirtschaftsuniversität dieses "Monopol" der Juridicums brechen. Ein Bakkalaureat und ein Doktorat in "Wirtschaftsrecht" wurden in den Weihnachtsferien beschlossen und treten mit Wintersemester 2006 in Kraft. Ein Studienplan für ein entsprechendes Masterstudium wird voraussichtlich im Frühjahr nachfolgen. Mit der Absolvierung dieses neuen Master-Studiums sollen die Studierenden auch die Befähigung erhalten, in juristischen Kernberufen zu arbeiten.

Intensive Diskussionen

"Ich fürchte, dass dadurch die Zahl der Juristen sinnlos vermehrt wird", so die Reaktion von Professor Peter Pieler, Studienprogrammleiter der Juristischen Fakultät. Er bestätigt, dass am Juridicum über die neuesten Entwicklungen intensiv diskutiert werde. "Wie wir reagieren, kann aber keine schnelle Entscheidung weniger leitender Personen sein, es müssen vielmehr alle Beteiligten mit einbezogen werden", so Pieler. Noch im Jänner werde die Entwicklung neuer Studienpläne mit allen Instituten besprochen.

Momentan, so Pieler, fühle man sich von den Entscheidungen der WU "ein bisschen überfahren". Erst Anfang November habe man überhaupt erfahren, dass ein wirtschaftsjuristisches Studium geplant sei. Besonders kritisch sieht Pieler die geringe Abdeckung des Prozessrechts in den neuen Studienplänen und den allgemein verhältnismäßig niedrigen Stundenumfang der juristischen Fächer im Vergleich zu den wirtschaftlichen.

Große Resonanz

Auch an der Praxistauglichkeit der neuen Pläne zweifelt der Studienprogrammleiter: "Das ist mit den Kammern und den Gerichten sicher noch nicht in vollem Maße abgeklärt. Es wird spannend, was das Justizministerium dazu sagt". Um die Akzeptanz der Praxis macht sich Michael Holoubek, Professor für Öffentliches Recht an der WU und Mitbegründer der neuen Studienpläne, keine Sorgen: "Als wir das Studium "Wirtschaft und Recht" gestartet haben, waren wir nicht auf eine derartig große Resonanz der Studierenden gefasst", erzählt . "Der Bedarf an Juristen mit ökonomischen Kenntnissen ist eindeutig da". Die Entscheidung sei außerdem mit großen Firmen und Kanzleien besprochen worden, die Interesse an den neuen, vollwertigen "Wirtschaftsjuristen" vermeldet hätten.

Konfliktpotential

"Ich verstehe, dass unsere neuen Studienpläne in der jetzigen Situation als "Konkurrenzprodukt" gesehen werden", so Holoubek, "Aber es geht hier um die eigene Profilbildung der WU und nicht um eine Kampfansage ans Juridicum". Die Gesamtnachfrage am Studienstandort Wien biete ausreichend Potential für beide Universitäten.

Am Juridicum glaubt man noch nicht so recht, dass die WU ihre Forderungen durchsetzen kann. "Ich bezweifle, dass das Ministerium die neuen Studien als ausreichende Ausbildung für juristische Kernberufe sieht", kommentiert Studienprogrammleiter Pieler die Situation. "Ob sich das Alles wirklich so umsetzen lässt, ist mehr als fraglich". (az)