A. war einem Exorzisten begegnet. Beim Schuster. Und wäre der Schuster nicht so verknallt in sie, wäre das vermutlich nicht passiert: Zum einen, weil dann ich die Schuhe geholt (und den doppelten Preis bezahlt) hätte. Zum anderen, weil dann der Murmler seine Schlüssel bekommen und bezahlt gehabt hätte, und aus der Flickschusterei verschwunden gewesen wäre, als der Schuster A.s Schuhe von unter der Budel auf den Tresen gestellt hätte.
Schöne Schuhe
So aber, erzählte A., habe der Schuster geschmachtet – und den etwa 45-jährigen mittelblonden Mann im Anzug, der da auf ein paar Schlüssel wartete, gebeten, doch die Dame vor zu lassen. Es dauere kurz. A., müsse nur Schuhe abholen. Schöne Schuhe. Gute Schuhe. Wenn nur mehr Menschen solche Schuhe tragen würden – obwohl sie natürlich nicht jedem so gut stehen würden wie ... und so weiter. Während der Schuster A.s Schuhgeschmack lobte, sagte A., habe er ihre Stiefel auf den Tisch gestellt. Schuhe mit denen Männer keine zwei Schritte weit kämen. Stiefel, die in der Schuhkategoriesierungswelt von A. und ihren Freundinnen unter „Fuffi-Böck“ fallen: Sehr spitz. Sehr Bleistift. Noch mehr Absatz. Orthopäden verwenden solche Schuhe als Anschauungsobjekte dafür, wie man einen Fuß kaputt macht. Aber hinschaun und hecheln, grinst A., tun sie ja trotzdem.
Der Mitvierziger schaute auch. Dann legte er los: „Der Teufel trägt spitze Schuhe.“ A. und der Schuster taten, als hätten sie nichts gehört. „Der Teufel trägt spitze Schuhe! Spitze Schuhe sind des Teufels!“, wurde der Mann lauter. Und weil sie noch nicht wach und in Kampflaune war, sondern noch im Schlafmodus dastand, murmelte A. nur halblaut zurück. Irgendwas versöhnlich-defensives, sagt sie. Glaubt sie. Der Anzugmann brüllte jetzt. „Der Teufel trägt spitze Schuhe! Wer spitze Schuhe trägt, ist des Teufels! Gott trägt runde Schuhe! Wer keine runden Schuhe trägt, ist mit dem Teufel im Bunde!“ Und so weiter. Sie habe, sagt A., Angst bekommen und dem Gottesschuhprediger lieber nicht ins Gesicht geschaut.
Brabbellatein
Plötzlich, erzählt A., habe der Mann dann aufgehört zu brüllen. Und begonnen herumzufuchteln. Sie sei zurückgewichen (ja, die Schuhe habe sie mitgenommen). Aber dann, sagt A., sei die Sache vollends absurd geworden: Der Brüller habe angefangen zu murmeln. Eigentlich zu brabbeln. In einer unverständlichen Sprache, in die ab und an lateinische Brocken eingebaut waren. Außerdem, erzählt A., habe der Murmler in einer ganz anderen Stimmlage gemurmelt, als er gesprochen und gebrüllt habe. Nasal bis fistelnd. So, als kopiere er das von Dämonen besessene Mädchen im Film „der Exorzist“. Um die Sache ins – im Nachhinein – Skurrile abgleiten zu lassen, habe der Murmler dazu auch noch angefangen wild zu gestikulieren.
Als der Irre dann begann, in seinen Taschen nach irgendetwas zu suchen, sagt A., habe sie die Flucht ergriffen. Schließlich habe sie keine Lust gehabt, sich mit spitzen Pfählen traktieren zu lassen, mit irgendwelchen Hexenkräutern, Amuletten oder Totems beworfen oder befuchtelt zu werden oder sich eventuell gar eine geweihte oder silberne Kugel einzufangen: Mit ihren Stiefeln in der Hand sei sie aus dem kleinen Schusterladen geflüchtet. Und habe – wie in einem schlechten Film – das triumphale Lachen des Exorzisten noch den halben Tag im Ohr gehabt.