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"Das Setzen eines Grenzsteines kommt inklusive Material-, Arbeits- und Dokumentationskosten auf 400 und 500 Euro

Foto: APA/Tröscher
Wien – In Österreichs Grenze klafft ein Loch. Seit über 350 Jahren. Im 1648 geschlossenen Westfälischen Frieden konnten sich nämlich die Anrainerstaaten nicht einigen, wie der Bodensee aufgeteilt wird. Ein Zustand, der bis heute andauert und wohl auch die nächsten Jahrzehnte nicht geändert wird, wie Christoph Twaroch und Heinz König, Österreichs oberste Grenzbeamte, vermuten.

Abgesehen vom Bodensee ist die gut 2700 Kilometer lange Linie, die Österreich von seinen Nachbarn trennt, aber relativ klar, betonen die beiden. Allerdings nicht für jeden, wie ein aktueller Fall zeigte. Ein Hotelier aus dem nördlichen Mühlviertel hatte seinen Betrieb ausgebaut – und war dabei 15 Meter auf tschechisches Staatsgebiet gekommen (DER STANDARD berichtete).

Über diesen Fall dürfen sich Twaroch (der Vorsitzende der Grenzkommission) und König (Abteilungsleiter im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen) nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Ob der Zubau abgerissen werden muss oder es zu einem Gebietstausch mit Tschechien kommt, ist noch offen.

Gebietstausch möglich

Ein Gebietstausch ist aber durchaus möglich, denn die Grenzen sind nicht so starr, wie der Laie vielleicht vermutet. Immer wieder kommt es zu Änderungen und Gebietstäuschen mit anderen Staaten. Heuer wurden beispielsweise die Grenzen zu Deutschland, Tschechien und Ungarn geändert. Größer oder kleiner wird Österreich dadurch nicht: Alle Änderungen müssen flächenmäßig neutral sein.

"Bauliche Grenzverletzungen sind aber äußerst selten, so etwas kommt vielleicht einmal alle zehn Jahre vor", rekapituliert Twaroch. Häufiger werden neue Vermessungen und Verträge nach Umwelteinflüssen nötig. Etwa wenn sich ein Grenzbach einen neuen Weg bahnt oder es im Gebirge zu Felsstürzen kommt und sich dadurch die Kammlinie ändert. Umweltschutzmaßnahmen wie die Renaturierung von Flüssen, die dadurch ihren Lauf ändern, können für die Hüter der Grenze ebenso Mehrarbeit bedeuten.

Sieben Menschen sind im Bundesamt nur mit der Staatsgrenze befasst. Um ihre Aufgabe, das "Vermessen und Vermarken", zu erfüllen, wird auch auf Experten vor Ort und sogar das Bundesheer zurückgegriffen. In regelmäßigen Abständen wird gemeinsam mit den Kommissionen der Anrainerstaaten rund um Österreich gewandert, um den Grenzverlauf zu überprüfen.

27.000 Grenzzeichen

In der Landschaft ist dieser durch so genannte Grenzzeichen sichtbar. Rund 27.000 Stück davon gibt es, meist Grenzsteine. "Zusätzlich gibt es aber noch hunderttausende Koordinatenpunkte, die nur auf Karten verzeichnet sind", erläutert König. Der Grund für die Diskrepanz zwischen sichtbaren und unsichtbaren Punkten ist ein finanzieller. "Das Setzen eines Grenzsteines kommt inklusive Material-, Arbeits- und Dokumentationskosten auf 400 und 500 Euro", rechnet König vor.

Angst um ihre Zukunft ihrer Zunft in Zeiten der europäischen Einigung machen sich die beiden Beamten nicht. "Es ist müßig zu sagen, wir brauchen in der EU keine Grenzen mehr. Sie sind auf jeden Fall notwendig, um die Gemeinschaft zu definieren", ist Twaroch überzeugt. Im Gegenteil stehen die Grenzzieher in ganz Europa vor neuen Aufgaben, wie der Einführung eines einheitlichen Koordinatensystems.

Speziell mit der Osterweiterung sei die Zusammenarbeit aber "auf jeden Fall leichter" geworden. "Es wird sicher weniger neue Problemfälle geben", sind beide überzeugt. Dass es auch ohne klare Trennlinie geht, beweist der Bodensee: Trotz fehlender Grenze ist dort dank Verwaltungsübereinkommen klar, wer etwa bei Unglücken wo zuständig ist. (Michael Möseneder; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.12.2004)