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Foto: APA/Kubelka
Niemals werden so viele Geheimnisse gelüftet, wie in der angeblich stillsten Zeit des Jahres. Vorige Woche waren es gleich zwei, unter lüftungsmäßiger Beteiligung von - wenig überraschend - "tv-media" und der "Kronen Zeitung ". Das Fellner-Blatt tat es aus der üblichen Begeisterung für alles, was es zum Lob der Sendetätigkeit des ORF anzupreisen gilt, die Dichand-Gazette, weil es sich so seriös ausnimmt, wenn man von der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" borgt.

Das Geheimnis der 3 Könige zu enthüllen, ist eine seit Jahrzehnten beliebte Familienunterhaltung um Weihnachten, warum sollte man es also nicht noch einmal versuchen? Brandneue Erkenntnisse über die drei Weisen, die zur Krippe Jesu pilgerten, versprach "tv-media" und pries eine diesbezügliche ,Universum'-Doku, als gelte es, den Leuten ein Jahresabo anzudrehen: Spektakulär!

Wie häufig, wenn im Königreich der Fellners Spektakuläres angekündigt wird, lässt die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Die rund 500.000 Euro teure Reportage geht den Fragen nach: Wer waren Caspar, Melchior und Balthasar wirklich, woher kam das "Heilige Trio", und woher wussten sie so genau, dass in Bethlehem der Erlöser geboren wurde? Anschließend blieben alle drei Fragen ohne jedwede neue, geschweige denn brandneue Erkenntnis auf völlig unspektakuläre Weise ungelöst.

Mit einem Gerücht wird in der Reportage gleich vorweg aufgeräumt: Könige waren es definitiv nicht, die sich da auf Wanderschaft begaben. Und "heilig" waren sie schon gar nicht. Wenn überhaupt, vielleicht vazierende Astronomen, wie man aus der Bibel wissen könnte, wenn man diese häufiger und mit mehr Andacht läse als "tv-media". Desgleichen: Nirgends ist davon die Rede, dass es ausgerechnet drei Gelehrte waren.

Da kommt es schon nicht mehr darauf an, dass auch der Komet, dem die "Heiligen Drei Könige", die weder heilig, noch drei und schon gar keine Könige waren, angeblich nach Bethlehem folgten, wenig mit der historischen Realität zu tun hat. Realistisch betrachtet, gar nichts. Dass sie erst ein paar Jahrhunderte später unter den Künstlernamen Caspar, Melchior und Balthasar auftraten - geschenkt, wäre da nicht doch noch ein Knalleffekt. Mit einem Knalleffekt wartet die Doku am Ende auf: Die Gebeine der Heiligen Drei Könige sollen im Kölner Dom liegen!

Dass es spirituelle Knalleffekte in sich haben können, wissen wir spätestens seit Sauls Wandlung in Paul. Das war aber gar nichts gegen den Urknalleffekt im Reich der Fellners. Universum-Chef Werner Fitzthum gesteht im TV-MEDIA-Talk: "Das war auch mir völlig neu. Eine wahre Überraschung!" Nachdem in einer brandneuen Doku alles wieder auf den zweitausend Jahre alten Stand der Bibel zurückgeführt worden ist, kann man die Einschätzung von Kardinal Schönborn, der in der Story ein Symbol für die Sehnsucht der Menschen nach Gott erblickt, nur als eines bezeichnen: Spektakulär!

Lange - gute 5300 Jahre - ungelöst blieb auch das Aktenzeichen XY, das in den Annalen der Jungsteinzeit unter "Tatort Similaun" vermerkt ist. Aber einmal kommt alles ans Licht, und per "Krone" an das der hiesigen Öffentlichkeit: "Ötzi" war Opfer eines Mordkomplotts!

Von einem Mord hat man gemunkelt, aber dass es sich bei dem Komplott um eine frühe Aufkündigung des Generationenvertrages gehandelt hat, wagte erst jetzt ein Forscher zu behaupten: "Man hat ihn aus dem Weg geräumt, weil er als Häuptling halsstarrig an seiner Macht festhielt!"

Jeder Mordfall ist erst gelöst, wenn wir das Motiv kennen, das wissen wir aus vielen TV-Serien. Und dieses liefert jetzt der Südtiroler Wissenschafter hieb- und stichfest: Alter! "Ötzis Zeit war um. Er hat die Zeichen nicht erkannt und hielt halsstarrig an seiner Macht fest." Denn für die jungsteinzeitlichen Verhältnisse habe der Alpenmann mit 47 Jahren ein fast schon biblisches Alter erreicht. Anderswo widmeten sich damals Männer biblischen Alters, so um die hundert, der Zeugung von Nachwuchs. Aber Älpler waren ja schon immer ein anderer Menschenschlag.

Schon aufgrund des Alters war er eine Persönlichkeit. Ein Häuptling, ein Dorfvorsteher, vielleicht auch ein Schamane. Aber ihn deshalb durchfüttern? Seine Konkurrenten sahen keine andere Alternative, als ihn gewaltsam aus dem Weg zu räumen!" Und dann nichts wie Spuren verwischen! "Später im Dorf" weiß der Forscher, "streuten die Mörder das Gerücht aus: ,Der alte Mann' hat sich im Gebirge verlaufen'. Um jeden Verdacht von sich zu lenken, ließen die drei Männer "Ötzis" Ausrüstung verschwinden. Das perfekte Verbrechen!

Zum Glück gibt es in der "Krone" niemanden, der fast schon biblisches Alter erreicht und halsstarrig an seiner Macht festhält. Denn ein unheimlicher Fluch ähnlich wie bei den ägyptischen Pharaonen soll den Alpenmann umgeben. Tatsächlich sind von den 22 Menschen, die 1991 an der "Ötzi"-Fundstelle waren, bis heute schon fünf tot. Noch 17 - und der Fluch ist erfüllt. Hätte Ötzi doch auch nur seinen Hund gestreichelt, statt halsstarrig festzuhalten - er könnte heute noch leben. (DER STANDARD; Printausgabe, 28.12.2004)