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Höllischer Durst, Schweißausbrüche, gepflegtes Schädelweh und ein Geschmack im Mund, der durchaus "tote Maus" sein könnte: So oder so ähnlich ist er, der Kater.

apa/dpa/Weißbrod

Da einheitliche Ausgangsbedingungen die Basis dieses Tests sein sollen, wurde natürlich daran gedacht, den Rausch einheitlich zu gestalten: Er sollte aus einer paritätischen Mischung aus Wein, Bier und Hochprozentigem herrühren, was sich jedoch als nicht praktikabel erwies. Manche sind einfach unglaublich Whisk(e)y-geeicht, andere wieder trinken Wein ohne Ende, fallen aber um, sobald ein Glas Tequila vorbeigetragen wird. Wobei jedes einzelne dieser Produkte - alle legal, sofern man kein Fahrzeug in Betrieb nimmt - auch abhängig von der Person eine andere Form von "Fetzen" verursacht. Bei Wein dauert es länger, und ist es ein guter, ist das daraus resultierende Schädelweh nicht ganz so gemein. Champagner verursacht zwar einen der charmantesten "Dulliö" überhaupt, aber auch einen der kostspieligsten. Bier erfordert vor allem die dringende Nähe einer Toilette, und Hochprozentiges macht das "Vergnügen" im Allgemeinen kurz: rasche Wirkung, rascher Absturz. Grundlegender Denkfehler bei der Normierung war, zu vergessen oder zu verdrängen, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt relativ locker mit dem umgeht, was man noch zu trinken beabsichtigt. Denn einen hamma immer noch getrunken, gell?!

Noch etwas: 1.) Alkoholabusus ist alles andere als dazu angetan, der Jugend ein gutes Beispiel zu geben. 2.) Er kommt in den besten Häusern vor. Aus dem Zustandekommen - zu viel, und das durcheinander - ergibt sich auch schon die oberste aller Vermeidungsstrategien: nämlich einfach nichts trinken. Keith Floyd, britischer Autor von Reise-und-Essen-Büchern und Fernsehmoderator, hat in "Floyd on Hangovers" eine äußerst plausible Kategorisierung der Hangover-Varianten vorgenommen. "The Double Whammy" ist z. B. der, der bereits beim Augenöffnen schmerzt. "The Timebomb" tritt mit verzögerter Wirkung ein: Man fühlt sich recht wohl und ist guter Dinge. Schweißausbruch und Schwindelanfall folgen garantiert genau dann, wenn man, weshalb auch immer, eine besonders gute Figur machen möchte.

Bewertet wurden neben der Wirkung Handling, Aufwand bei der Herstellung, Kosten, Nebenwirkungsanfälligkeit. Der Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Hangover wurde ignoriert. Das Internet wurde befragt, einschlägige Literatur konsultiert, Freunde, Kollegen, Mittrinker wurden um Tipps gebeten. Woraus sich folgende Kategorien ergaben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1. Hausmittel
Salzgurken (3,50 € pro Kilo, z.B. Landstraßer Markthalle): zwei Fliegen mit einer Klappe. Die saftigen Gurken, die in Salzlake eingeweicht sind und von der man im Notfall auch einen Schluck nehmen sollte, helfen gegen die Dehydrierung und bringen gleichzeitig Mineralstoffe (Salz) zurück. Einfachstes Handling. 10
Auch Rollmöpse, Teufelsroller, Sauerkraut, Würstel mit scharfem Senf, Hotdogs oder Pommes mit Hot Ketchup entsprechen dem höchst wirkungsvollen Geschmacksmuster von sauer - scharf - fett; beliebig kombinierbar.

Reparatursuppen (Konsistenz je nach Vorliebe: klar & kräftig, eintopfartig): Vorteile: Flüssigkeitszufuhr, salzig, kann auch ordentlich fett sein. Nicht nur bei Alkoholnachwirkungen anwendbar (vgl. auch 4. Cocktails, Bullshot), was Sonderpunkte für Multifunktionalität gibt. Nachteil: Wenn man sie nicht auf Vorrat hat (Tiefkühltruhe!), dauert es Stunden, wenn man erst im Fall des Falles zu Werke geht. 9,5
Die britische Kochbuchautorin Nigella Lawson, die "Muntermachern" in ihrem Buch "Leckerbissen" ein ganzes Kapitel widmet, schwört auf "etwas brennende Schärfe": 1,5 l Hühnersuppe, 1 gehäufter EL Tom-Yam-Paste, 4 Limettenblätter fein gehackt, 1 Stängel Zitronengras, Saft einer Limette, 4 EL Fischsauce, 3 kleine rote oder grüne Chilischoten, fein gehackt, 1 TL Zucker, 150 g Reisstrohpilze (Shitake oder Ähnliches), 500 g geschälte Riesengarnelen, 5 kleine Frühlingszwiebeln, 1 kleiner Bund Koriandergrün. Suppe mit Tom-Yam-Paste, Limettenblättern, Zitronengras, Limettensaft, Fischsauce, Chilis und Zucker zum Kochen bringen, Pilze dazu, köcheln lassen, Garnelen und Frühlingszwiebel dazu, köcheln, bis Garnelen durch sind (2, 3 Minuten), Koriandergrün drauf, essen.

Englisches Frühstück (Originalzutaten bei Bobby's, Schleifmühlg. 8, 1040 Wien): am besten in der Full Version: warme Bohnen in Tomatensauce mit Tabasco und/oder Worcestersauce geschärft und gesäuert, Spiegelei(er), gebratener Speck, mehlige Würstchen, Champignons & Tomaten - beides gebraten, Toast und, falls zur Hand, Räuchermakrele oder -hering. Der Herstellungsaufwand ist leider groß (Punkteabzug); das Ergebnis wirkungsvoll und wohlschmeckend. Nicht mit Olivenöl sparen! 9,5

Leitungs- oder Mineralwasser (Wassergebühr bzw. je nach Marke ca. 0,50 €/Liter): Mit Abstand das am meisten genannte Mittel; der Anwendungszeitpunkt - vor dem Trinken trinken, währenddessen, vor dem Schlafengehen - ist individuell verschieden und sollte im Selbstversuch ermittelt werden. Wassertrinken während der Alkoholzufuhr verdünnt und verhindert, dass der Alkohol in geballter Ladung in die Blutbahn übergeht. Wasser vor dem Zubettgehen könnte die Klogangfrequenz erhöhen. Ob ein Glas oder mehrere, ist vom Fassungsvermögen jedes Einzelnen abhängig. 9 Kalte Milch vor dem Schlafengehen: Die Kalziumzufuhr ist positiv. Problem: Der Geschmack ist nicht jedermanns Sache, und man vergisst relativ leicht darauf (vgl. Wasser). 7,5

2. Bewegung
Meister Seo: Seo Yoon-Nam, Kolumnist im Magazin der Süddeutschen Zeitung zum Thema Lebens- und Fitnesstipps, Jurist und Inhaber des 9. Dan, kam vor mehr als dreißig Jahren aus Seoul nach Deutschland, um als erster Tae-Kwon-Do in München zu unterrichten. Die Übungen (imaginäres Handtuchauswringen etc.) sind einfach und sollten im Freien durchgeführt werden. Sie stellen keine großen Ansprüche an Beweglichkeit und Gleichgewicht und entspannen. Wirksamkeit okay, könnte in Kombination (1., 3. oder 4.) erhöht werden. 7

Sex: "Dabei wird mir schwindelig." Dieser Kommentar einer nicht genannt werden wollenden Kollegin zeigt das Dilemma - eine an und für sich höchst positive Sache zum völlig falschen Zeitpunkt. 5

Laufen: Ein Paar guter Laufschuhe als Investitionsaufwand bewähren sich auch nach dem Krisentag. Schweißausbruch garantiert. Harte Attacke auf Kondition (Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit) und Selbstbewusstsein: kann jene, die "schon immer" laufen wollten und ausgerechnet mit Hangover beginnen, völlig demoralisieren. Nur für Geübte vorbehaltlos zu empfehlen, ein feiner Spaziergang in kühler Luft tut's auch. 4

3. Handelsübliches
Alka-Seltzer (20 Stk. 6,80 €) wirkt schmerzlindernd und magensäureneutralisierend, zuverlässiger Klassiker, einfach im Handling. 9,5 Aspirin (20 Stk, 2,95 €), Aspro (30 Stk, 3,20 €) und Artverwandtes: Acetylsalicylsäure mit oder ohne Vitamin C ist der Grundwirkstoff, leicht anzuwenden & zuverlässig, schmerzlindernd. Kleiner Nachteil: Die Tabletten könnten sich in Einzelfällen auf den ohnehin schon blümeranten Magen schlagen. Vor dem Schlafengehen eingeworfen beugt es dem Schlimmsten vor. 8

alco-free (30 Stk. 22,55 €, Apotheke): Naturheilmittel laut Verpackungstext, basierend auf der südostasiatischen Pflanze "Thunbergia laurifolia" (leberentgiftend und antiallergisch), das vor oder nach dem Alkohol eingenommen den Leberstoffwechsel anregt. 6

Deduct (50 ml à 2 € in Kürze in Gasthäusern etc.) "Functional Drink", nach der Alkoholzufuhr einzunehmen; besteht aus Wasser, Zucker, pflanzlichen Extrakten aus Rosmarin (anregend), Artischocke (entgiftend) und Passionsfrucht (beruhigend), einigen "E" (330, 202, 211, 129), natürlichen Aromen u. Farbstoffen. Schmeckt limonadig, mundgeruchshemmend, Wirkung unauffällig. 6

4. Cocktails
Bloody Mary (5 cl Wodka, 1 cl Zitronensaft, 12 cl Tomatensaft, 3 g Pfeffer, 2 g Selleriesalz, Worcestersauce, Tabasco, Eis),
Prairie Oyster (nach Nigella Lawson: 1 Eigelb, 40 ml Weinbrand, einige Tropfen Essig, 2 Spritzer Tabasco, Worcestersauce, Salz & Pfeffer),
Bullshot (4cl Wodka, 10 cl Consommé, Eis) und Ähnliches arbeiten nach dem Prinzip, durch dezente Alkoholzufuhr die Entzugserscheinungen nicht zu hart werden zu lassen. Die Wahl des Cocktails ist geschmacksabhängig. Einen ähnlichen Effekt erreicht man mit einem Korrekturseidl, immer vorausgesetzt, man kriegt es runter. Wirksam, aber die Kosten können je nach Grundprodukten doch etwas höher werden. 7 (Der Standard, Printausgabe 24./25./26.12.2004)