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Janukowitsch lehnte seinen Rücktritt als Ministerpräsident ab.

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Bei einer Fernseh-Aufzeichnung in Donezk, der Heimatstadt des Ministerpräsidenten Janukowitsch, war die umstrittene Politikerin Julia Timoschenko um Aussöhnung bemüht. Sie trat in einem orangen Fan-Shirt des dortigen Fußballclubs Schachtar auf. "Das ist eure Farbe. Und es ist unsere Farbe", sagte sie den Zuschauern der Live-Sendung.

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Kiew - Vier Beschwerden hatte der unterlegene Präsidentschaftskandidat Viktor Janukowitsch vor dem Obersten Gerichtshof eingereicht. Die ukrainische Wahlkommission hat nun auch den vierten Einspruch von Janukowitsch gegen das Wahlergebnis vom Sonntag zurückgewiesen. "Die vorgelegten Beweise belegen keine massiven Verstöße, die das Ergebnis der Wahl hätten beeinflussen können", sagte Marina Tsavniychuk von der Wahlkommission zur Begründung. Janukowitsch hatte 27 Ordner mit angeblichen Beweisen dafür vorgelegt, dass zumindest 4,8 Millionen Bürgern das Wahlrecht verweigert worden sei. Ihm steht nun noch eine Klage vor dem ukrainischen Höchstgericht gegen die Entscheidung der Wahlkommission offen.

Dieses hatte zuvor aber schon alle Beschwerden des unterlegenen Kandidaten abgewiesen. "Die letzte der vier Beschwerden von Herrn Janukowitsch wurden am Donnerstag als unberechtigt abgewiesen", sagte eine Sprecherin des Höchstgerichts am Nachmittag in Kiew. Eine erste Klage war schon am Mittwoch abgewiesen worden, zwei weitere am Donnerstagvormittag. Die Abweisung der Klagen ist Voraussetzung dafür, damit die Wahlkommission das amtliche Endergebnis bekannt geben konnte.

Janukowitschs Mitarbeiter hatten am Dienstagabend die vier Beschwerden wegen angeblicher Manipulationen in allen Wahlbezirken eingereicht. Die Wahlkommission kann das Ergebnis des Urnengangs erst dann offiziell verkünden, wenn die Justiz über die Klagen entschieden hat. Die Wahlkommission hatte am Dienstag das vorläufige Endergebnis mitgeteilt: Juschtschenko hatte demnach am Sonntag 52,0 Prozent der Stimmen erhalten; Janukowitsch kam auf 44,2 Prozent.

Diverse Vorwürfe

In einer Klage warf Janukowitsch der Wahlleitung vor, sie habe bei der Stichwahl am Sonntag nicht für alle Bürger die gleiche Möglichkeit zur Stimmabgabe gewährleistet. Weder der Vorwurf noch die daraus resultierende Forderung seien juristisch klar genug gefasst, befand die Richterin Lidija Grigorjewa und wies die Klage ab. Die zweite Klage über Vorgänge vor der Stichwahl sei nicht fristgerecht eingereicht worden. Eine weitere Klage wurde schon am Mittwoch abgewiesen.

Kabinettssitzung verhindert

Vier Tage nach der Wiederholung der Präsidenten-Stichwahl scheint die Funktionsfähigkeit der amtierenden Regierung in Frage gestellt. Anhänger der Opposition hatten am Mittwoch Janukowitsch den Weg zu einer Kabinettssitzung versperrt, weil der Regierungschef seine Niederlage bei der Wahl am Sonntag nicht anerkennen will. Am Donnerstag berichteten ukrainische Medien, der Ministerpräsident wolle erneut Urlaub nehmen. Dies wurde von Mitarbeitern Janukowitschs aber dementiert. "Der Ministerpräsident erfüllt seine Amtspflichten", hieß es aus seiner Wahlkampfzentrale. Janukowitsch lehnte außerdem seinen Rücktritt als Ministerpräsident ab.

Noch keine Entscheidung über Nachfolger

Juschtschenko will nach seiner Amtseinführung die umstrittene Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko als Regierungschefin vorschlagen, hieß es am Mittwoch. Juschtschenkos Sprecherin Irina Geraschtschenko dementierte diese Meldungen später. Eine Entscheidung über die Neubesetzung des Amts sei noch nicht gefallen, sagte Geraschtschenko. Timoschenko gilt als die Organisatorin der Massenkundgebungen der Opposition nach der ersten Stichwahl am 21. November, die das Oberste Gericht schließlich für ungültig erklärt hatte.

Timoschenko um Aussöhnung bemüht

Timoschenko selbst bemühte sich um eine Aussöhnung mit der Wählerschaft Janukowitschs. Bei einer Fernseh-Aufzeichnung in Donezk, der Heimatstadt des Ministerpräsidenten, trat sie in einem Fan-Shirt des dortigen Fußballclubs Schachtar auf. Die Farbe von Schachtar ist wie die der Opposition orange. "Das ist eure Farbe. Und es ist unsere Farbe", sagte sie den Zuschauern der Live-Sendung.

Auch Juschtschenko zeigte sich versöhnlich. Dem Fernsehsender Kanal 5 sagte er, die Justiz werde die umstrittenen Privatisierungen von Staatsbetrieben unter dem bisherigen Präsidenten Leonid Kutschma nicht überprüfen, da diese Maßnahme "Chaos säen" würde. in Zukunft müssten Geschäftsleute aber "nach neuen Regeln spielen". Vor der Wahl hatte Juschtschenko die überprüfung "illegaler" Privatisierungen angekündigt. Namentllich hatte er den Stahlkonzern Kriworijstal genannt, der im Juni für nur 800 Millionen Dollar (rund 590 Millionen Euro) an einen Schwiegersohn Kutschmas verkauft worden war.

"Politiker des Jahres"

Die Moskauer Wirtschaftszeitung "Wedomosti" erklärte Juschtschenko unterdessen zu ihrem "Politiker des Jahres" 2004: "Vor dem designierten Präsidenten der Ukraine stehen viele Prüfungen. Niemand weiß, ob es Juschtschenko gelingen wird, sein Land aus der Abhängigkeit vom Rohstofftransit zu lösen, ob er die Spaltung zwischen dem rein ukrainischen Westen und dem russisch geprägten Osten heilen kann, ob er sich Europa annähern kann, ohne Moskau zu verprellen. Doch das Wichtigste ist geschafft: In einer weiteren früheren Sowjetrepublik herrscht nicht mehr ein von oben bestimmter Nachfolger, sondern ein vom Volk gewählter Präsident." (APA/Reuters/Red)