Wien - Das schwierige Kapitel der Identifizierung von unbekannten Toten hat die Gerichtsmedizin schon immer beschäftigt. Natürliche äußerliche Körpermerkmale können genau so ausschlaggebend sein wie Schmuck (Piercings) und natürlich Zahnarzt-Befunde. Doch wirklich revolutioniert hat die forensische Medizin in diesem Zusammenhang die moderne Molekularbiologie mit der DNA-Analyse. Normalerweise hört man davon am ehesten bei Vaterschaftstests und nach Massenuntersuchungen - zum Beispiel bei Sexualverbrechen. Doch natürlich werden dieser Techniken auch zur Identifizierung von Toten eingesetzt. Das reichte bereits bis zur Bestimmung der sterblichen Überreste der russischen Zarenfamilie, die 1918 in Jekaterinburg von Bolschewisten ermordet wurde.

Das Prinzip: Das Genom eines jeden Menschen ist im Grunde einmalig (von eineiigen Zwillingen abgesehen). Zwar sind einander alle Menschen der Erde genetisch ausgesprochen ähnlich, doch es gibt gewisse Teile der Erbsubstanz auf den Chromosomen, die doch Variationen aufweisen. Es handelt sich dabei zumeist um DNA-Abschnitte, die für lebenserhaltende Prozesse nicht entscheidend sind. DNA ist an sich sehr beständig. Material konnte auch aus Jahrtausende alten ägyptischen Mumien und sogar noch aus in Bernstein eingeschlossenen Insekten gewonnen werden.

"Tandem Repeats"

Wichtig sind jene Abschnitte der DNA, die für das Individuum typisch sind. Diese Bereiche bestehen auch aus so genannten Mini-Satelliten. Sie setzen sich aus kurzen wiederholten Basenpaar-Sequenzen zusammen. Die Länge beträgt zehn bis etwas 100 solcher Basenpaare. Diese Abfolgen wiederholen sich zehn- bis etwa 100mal. Die Wissenschafter sprechen daher von "Tandem Repeats".

Bei der Untersuchung werden diese "Tandem Repeats" analysiert. Die mit dem so genannten Southern-Blot erfolgende Untersuchung ergibt einen exakten Befund, was die Aufeinanderfolge der Basenpaare (Guanin, Cytosin, Adenin und Thymin) betrifft. Das ist dann der "genetische Fingerabdruck". Für die Identifizierung einer Person muss aber entweder ein Vergleich mit eigenem Material - zum Beispiel aus noch vor einem Unglücksfall vorhandenen Gewebe- oder Blutproben bzw. Zellen oder mit Blutsverwandten erfolgen. Die DNA-Muster werden nämlich nach den Mendelschen Regeln vererbt. Das Muster eines Kindes setzt sich aus dem mütterlichen und dem väterlichen Muster zusammen, so dass zumindest einige Banden mit denen des leiblichen Vaters übereinstimmen müssen.

Einsatz

Der genetische Fingerabdruck wird sowohl in der Forschung als auch in der Gerichtsmedizin seit 1986 eingesetzt. Anwendungen in der Forschung sind beispielsweise Verwandtschaftsuntersuchungen bei Tieren, die in Gruppen leben, Studien über Fortpflanzungserfolge unterschiedlichster Art und Untersuchungen in der Humangenetik. Die forensische Medizin (Gerichtsmedizin) hat mit dem genetischen Fingerabdruck ein Werkzeug gewonnen, mit dessen Hilfe aus kleinsten an einem Tatort zurückgelassenen Geweberesten (Haut, Haare, Sperma, Blut etc.) ein Verdächtiger eindeutig als Täter überführt oder entlastet werden kann.

Die benötigte DNA-Menge für eine Untersuchung liegt im Millionstel Gramm-Bereich. Hier greift eine zweite revolutionäre Labortechnik ein - die Polymerase-Chain-Reaction (PCR). Dabei kann durch Erhitzen, Auftrennen der DNA-Stränge und deren Vermehrung auch aus kleinsten ursprünglichen Probenmengen so viel Erbmaterial geschaffen werden, dass es für eine Bestimmung ausreicht.

Vorteil

Der riesige Vorteil der Methode: DNA kann aus praktisch jeder Art menschlichen Gewebes gewonnen werden. Für die Identifizierung ist natürlich ein Vergleich mit Blutsverwandten notwendig. Die Chance, dass zwei Individuen zufällig den gleichen genetischen Fingerabdruck besitzen, steht statistisch gesehen bei ca. eins zu 30 Milliarden - außer es handelt sich eben um eineiige Zwillinge.

Eine weitere Anwendung des genetischen Fingerabdrucks ist der Nachweis der Vaterschaft. Dieser Nachweis ist nicht so zwingend wie der vorangehende, da sich die genetischen Fingerabdrücke zwar von Vater und Kind auf jeden Fall unterscheiden, aber auch sehr ähneln.

Die mitochondriale DNA - also jene DNA, die in den "Kraftwerken" der Zellen enthalten ist - lässt sich für andere Untersuchungen nutzen. Die Mitochondrien werden von der Mutter auf die Kinder vererbt. Mitochondrien-DNA vom Vater haben sie nicht. Deshalb eignet sich die Methode zum Beispiel für die Bestimmung von Stammbäumen über Jahrhunderte hinweg. (APA)