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Alfred Gusenbauer sieht die Misere der Kärntner SPÖ gelassen: "Das ist dort die Zeit der Katharsis."

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sieht im Intrigantenspiel in der Kärntner SPÖ einen notwendigen Reinigungsprozess. Der Österreich-Konvent sei gescheitert, es werde keine neue Verfassung geben.

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Standard: In der Kärntner SPÖ fliegen die Fetzen, die Partei reibt sich dort in internen Grabenkämpfen auf. Warum mischen Sie sich da nicht ein?

Gusenbauer: Es war absehbar, dass nach dem Parteitag und der Ankündigung von Peter Ambrozy, dass jetzt eine Erneuerung geschaffen werden muss, all die bekannten, unterschiedlichen Interessen, Seilschaften und Meinungen innerhalb der Kärntner SPÖ wirksam werden. Was sich jetzt abspielt, ist eine Form der Aufarbeitung, die dann hoffentlich zu einer Klärung führen wird. Das ist dort die Zeit der Katharsis.

Standard: Warum schauen Sie da zu? Das könnten Sie mit einem Machtwort vielleicht abkürzen, anstatt es täglich eskalieren zu lassen.

Gusenbauer: Nein, ich glaube, es ist in Kärnten notwendig, endlich all das, was nicht ausgesprochen wurde, jetzt auszusprechen. In Kärnten geht es nicht darum, dass eine taktische Beruhigung eintritt, sondern dass dort die politische Arbeit auf eine neue Grundlage gestellt wird. Daher ist das ein grundsätzlicher Prozess, der jetzt stattfindet, und ich finde, den sollte man nicht stören.

Standard: Ohne diese Reibungsverluste geht es nicht? Da passieren doch skurrile Sachen. Der Landesgeschäftsführer verschickt E-Mails, in denen wichtige Funktionärinnen als "landesweit bekannte Intrigantinnen" heruntergemacht werden. Das geht doch über eine Katharsis hinaus.

Gusenbauer: Die Kärntner pflegen gerne die offenherzige Form der Auseinandersetzung.

Standard: Entschuldigen Sie, aber ist das nicht eine Führungsschwäche Ihrerseits?

Gusenbauer: Ich bin ja nicht der Vorsitzende der Kärntner SPÖ.

Standard: Aber der Vorsitzende der Bundespartei.

Gusenbauer: Die Parteifreunde werden in Kärnten einen Klärungsprozess durchführen. Ich bin guten Mutes, dass das zu einem vernünftigen Ergebnis führt.

Standard: Sie drängen nicht auf eine rasche Ablöse von Peter Ambrozy?

Gusenbauer: Der Leidensdruck in der Kärntner SPÖ nimmt täglich zu. Das ist offensichtlich auch ein Beitrag dazu, dass die Dinge vielleicht schneller vonstatten gehen. Ich glaube, es ist notwendig, dass sich alle Beteiligten einmal offen das sagen, was ihnen am Herzen liegt.

Standard: Wie blicken Sie auf das Jahr 2004 zurück?

Gusenbauer: Die SPÖ hat 2004 bei allen Wahlauseinandersetzungen kräftige Zugewinne und herausragende Wahlergebnisse erreicht. Damit hat sich bei den Wahlen das ausgedrückt, was auch in den Meinungsumfragen deutlich geworden ist: Der SPÖ ist es 2004 gelungen, die Mehrheitsverhältnisse 2002 doch sehr wesentlich zu verändern und umzudrehen. Die SPÖ liegt klar vor der ÖVP.

Standard: Sie persönlich konnten aber nicht profitieren. Der Parteitag ist nicht so verlaufen, wie Sie sich das erhofft haben, und in den Medien haben Sie eine schlechte Nachrede.

Gusenbauer: Der Tag der Ernte für den Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten ist der Tag der nächsten Nationalratswahl. Bis zu diesem Tag muss man sich manchmal mit allem möglichen Unbill herumschlagen.

Standard: Innerhalb der Partei gibt es immer wieder Kritik an der schlechten Kommunikation in der SPÖ. Gibt es da einen Verbesserungsbedarf?
Gusenbauer: Die SPÖ hat im Jahr 2004 gezeigt, dass sie bei den Wahlauseinandersetzungen mobilisierungsfähig ist. In den entscheidenden Politikfeldern wie Bildung, Pensionen, Wirtschaft und Gesundheit haben wir alternative Konzepte vorlegen. Wir haben darüber hinaus auch gezeigt, dass die SPÖ auch mit der notwendigen Einigkeit in Erscheinung treten kann. Aber es ist zweifelsohne so, dass wir mit Blickrichtung 2006 die Geschlossenheit und das öffentlich wahrnehmbare Profil der SPÖ verbessern müssen.

Standard: Was Sie da sagen, ist doch ein krasser Widerspruch zu den Vorgängen in Kärnten.

Gusenbauer: Die Situation in Kärnten wird 2006 längst gelöst sein. Wenn es eine gute Nachfolgeregelung gibt, wird der Umstand, wie es dazu gekommen ist, keine Menschenseele mehr interessieren.

Standard: Zum Österreich- Konvent. Die SPÖ hat mehrmals angekündigt, den Verfassungskonvent platzen zu lassen, zuletzt war es bei der Änderung des ÖH-Gesetzes fast wieder so weit. Glauben Sie jetzt doch wieder, zu Ergebnissen zu finden?

Gusenbauer: Es ist klar, dass es als Ergebnis dieses Konvents keine neue Verfassung geben wird, weil es keine Einigung geben kann. Fest steht, dass mehr als 80 Jahre nach Beschlussfassung der alten Verfassung eine neue nur mehr Demokratie und nicht weniger bringen kann. Die Volkspartei hat nicht nur im Konvent, sondern auch in der Tagespolitik gezeigt, dass sie an einem Ausbau der Demokratie absolut nicht interessiert ist.

Standard: Wäre es da nicht besser gewesen, rechtzeitig auszusteigen, anstatt sich von der ÖVP vorwerfen zu lassen, man würde mauern?

Gusenbauer: Nein, wieso sollte man den Konvent verlassen? Es ist ja sinnvoll, wenn einmal aufgelistet wird, welche Verfassungsprobleme bestehen und welche Lösungsvorschläge es dazu gibt. Die SPÖ hat die entscheidenden Vorschläge gemacht, wie Einklagbarkeit der Grundrechte, eine neue Kompetenzverteilung, Stärkung der Demokratie, Ausbau der Minderheitenrechte. Jede künftige Gesetzgebung wird auf diese Ergebnisse des Konvents zurückgreifen können.

Standard: Bislang war Ihr Tenor, wenn sich "in der Substanz" nichts ändere, sei der Konvent gescheitert. Ist die Konsens-Dissens-Liste doch ein Erfolg?

Gusenbauer:: Zielsetzung war eine neue Verfassung. Die wird es nicht geben. Daher ist der Konvent gescheitert - am Widerstand der ÖVP.

Standard: Wird man auf Basis des Verfassungsentwurfes von Konventspräsident Franz Fiedler noch einmal verhandeln?

Gusenbauer: Mein Eindruck ist, dass der Grundwiderspruch im Konvent unaufgelöst ist. Und der besteht darin, dass die ÖVP die Demokratie abbauen will und die SPÖ die Demokratie ausbauen will. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2004, 1./2.1. 2005)