Wie andere Politetiketten hat auch der "Populismus" seine Tücken: Populist ist nicht gleich Populist, den wenigsten Populisten geht es ums Volk und in manchen Politkulturen macht "Populismus" überhaupt wenig Sinn.

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Der "Populismus" gehört zu jenen politischen Etiketten, die auf den ersten Blick einiges für sich haben. Man versteht, was gemeint ist (oder glaubt es zumindest zu verstehen): ein politisches Verhalten nämlich, das auf elementare, wenn auch unedle Instinkte des Volkes abzielt (pauschales Misstrauen gegen Ausländer oder die politische Kaste, scharfes Durchgreifen gegen allerlei abweichendes Verhalten etc.). Auf diese Art hoffen gewitzte Politiker, billig Stimmen zu maximieren.

Dass dabei die Beschädigung feinerer politischer Errungenschaften wie etwa die der repräsentativen Demokratie in Kauf genommen wird, versteht sich von selbst. Unvergessen etwa die Bemerkung, mit der der österreichische Finanzminister das Parlament als "Theater" abqualifizierte: Solche Ausritte haben dem "Populismus" verdientermaßen einen üblen Ruf eingetragen.

Das Populismusetikett hat darüber hinaus aber auch noch eine irreführende Komponente, weil es international sehr unterschiedlich geartete Phänomene unter demselben Begriffsdach zusammenzwingt. Die Politik des zurückgetretenen britischen Innenministers David Blunkett als "populistisch" zu bezeichnen, ist nicht unkorrekt (was es heißt, wenn man Labour "sozialdemokratisch" nennt, wäre eine andere erörterungswürdige Frage). Dennoch hat der Blunkett-Populismus so gut wie nichts mit dem von Umberto Bossis Lega zu tun, der nur auf norditalienischem Boden gedeihen kann.

Und bei allem Unsinn und allen Widerwärtigkeiten, die Jörg Haider im Lauf der Jahre von sich gegeben hat, zeichnet sich seine Spielart des Populismus doch immer auch durch ein Element des Kasperlhaften, Unernsten und Inkonsequenten aus, die ihn von bösartigeren Populismusvarianten wie etwa der von Jean-Marie Le Pen klar unterscheidet. Den Populismusbegriff weiter zu differenzieren, indem man ihn in eine "links-" und eine "rechtspopulistische" Variante unterteilt, ist nur mäßig erhellend.

Eine weitere Tücke des Populismusetiketts: Es legt den Fehlschluss nahe, als ginge es Leuten wie Haider wirklich ums Volk, was natürlich mit hochgradiger Sicherheit nicht der Fall ist. Im Gegenteil: Die meisten "Populisten" zeichnen sich vielmehr durch ihre Bereitschaft aus, das Volk schonungslos übers Ohr zu hauen und ihm den größten Aberwitz zynisch als eine realistische Option zu verkaufen.

Hort des Unheils

Ist die Politik von George W. Bush "populistisch", wie dies auch schon ab und zu behauptet wurde? Nein. "Populismus" ist ein Begriff, der in der amerikanischen politischen Kultur wenig Sinn macht, weil die politikverdrossenen Teile des Volkes, die als mögliche Adressaten populistischer Botschaften infrage kämen, überwiegend gar nicht zur Wahl gehen. Und "populistisch" in dem Sinn, dass sie Washington D. C. vor ihren Wählern als Hort allen Unheils darstellen, sind ohnehin so gut wie alle US-Politiker. So verstanden hätte das Wort kaum einen Aussage- und Unterscheidungswert.

Der letzte amerikanische "Populist", der diesen Namen wirklich verdient hat und von überregionaler politischer Bedeutung war, war Senator Joe McCarthy. Aber der ist jetzt auch schon wieder seit 47 Jahren tot. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2004/1.1.2005/2.1.2005)