Gaza - Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl in den Palästinensergebieten hat der aussichtsreichste Kandidat, PLO-Chef Mahmud Abbas, Israel vorgeworfen, den Urnengang durch anhaltende Militäreinsätze im Gaza-Streifen untergraben zu wollen. Abbas forderte die internationale Gemeinschaft auf, "sehr wachsam" zu sein. Durch die israelische Eskalationspolitik sei der "demokratische Prozess in Gefahr", sagte der PLO-Chef gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Aus israelischen Regierungskreisen hieß es dagegen, Israel wünsche "freie Wahlen", doch Abbas habe nichts gegen die Gewalt unternommen. "Wir werden so hart zuschlagen, dass sie gezwungen sein werden, die Angriffe einzustellen", sagte ein ranghoher Regierungsbeamter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Israel werde nicht dulden, dass die geplante Räumung des Gaza-Streifens von gewaltsamen Übergriffen begleitet werde.

Die israelische Armee stieß am Sonntag in den nördlichen Gaza-Streifen vor - nur wenige Stunden, nachdem sie eine Offensive im südlichen Gaza-Streifen abgeschlossen hatte. Mit dem Armeevorstoß sollten die palästinensischen Angriffe mit Mörsern und Raketen auf israelische Ziele unterbunden werden, sagte Verteidigungsminister Shaul Mofaz. Für die Operation "Herbstwind" habe er der Armee eine "Blankovollmacht" gegeben.

Wie Augenzeugen und Sicherheitsdienste berichteten, rückten etwa 50 israelische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge im Gebiet von Beit Hanoun, Jabalya und Beit Lahiya vor. Von dort aus waren nach Angaben der israelischen Armee je zwei Kassam-Kurzstreckenraketen auf die in der Negev-Wüste gelegene südisraelische Stadt Sderot und auf den Übergang Erez zwischen Israel und dem Gaza-Streifen abgefeuert worden. Dabei wurden den Angaben zufolge drei Menschen leicht verletzt. Die israelische Armee hatte sich erst Stunden zuvor nach einem dreitägigen Einsatz aus Khan Yunis (Younis) im südlichen Gaza-Streifen zurückgezogen und war auf den Anhöhen in der Umgebung in Stellung gegangen.

Die Bemühungen des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon zur Einbindung der ultraorthodoxen Vereinten Partei des Thora-Judentums in seine Regierungskoalition stießen unterdessen auf Schwierigkeiten. Bei den Verhandlungen Sharons ging es unter anderem um Forderungen der Ultraorthodoxen in den Bereichen Erziehung und Bildungswesen. Es gebe noch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden, sagte Thora-Sprecher Moshe Schifman. Sharon wollte sein neues Kabinett nach Möglichkeit am Montag dem Parlament vorstellen. (APA)