"Der mensch im eigenheim wohnt in zwei stockwerken. Er trennt sein leben scharf in zwei teile. In das leben bei tage und in das leben bei nacht. In wohnen und schlafen". So beschrieb Adolf Loos 1921 in seinem Aufsatz "Wohnen lernen!" das moderne Haus für eine Familie, die ohne Dienstboten auskommen muss. Oben wird geschlafen, unten findet das gemeinsame Familienleben statt. Die Zubereitung der Speisen erfolgt im Wohnraum, denn die Frau des Hauses hat ein Anrecht darauf, "ihre zeit nicht in der küche, sondern im wohnzimmer zu verbringen", so Loos weiter. Mit dem so genannten "Raumplan" versuchte Loos, jedem Raum die durch seine Nutzung gerechtfertigte Raumhöhe zuzuordnen. Das brachte im Inneren ein komplexes Spiel unterschiedlicher Ebenen mit sich, aber auch eine eindeutige Definition der einzelnen Räume, deren Nutzung damit ein für alle Mal festgelegt ist. Die Villa, die Architekt Arno Grünberger mit Wolfgang Wagner in Wien-Döbling plante, erinnert an die Loos'schen Vorstellungen. Bereits angesichts der schlichten Geometrie der Straßenfassade mit dem mittigen Erker kommt einem unweigerlich die - nicht weit entfernt liegende - Villa Moller in den Sinn.

Unten wohnen, oben schlafen, so ist im Wesentlichen auch das Innere organisiert, wobei das Raumprogramm jedoch noch viel mehr zu bieten hat: Auf dem Dach des weißen Kubus befindet sich, umgeben von einer weitläufigen Terrasse, ein in Holzbauweise errichteter Kubus - das Studio - als privater Wohn- und Rückzugsraum. Im Erdgeschoß gelangt man von einer weitläufigen Diele in den zum Garten hin verglasten Wohnbereich auf zwei Ebenen mit einer Höhe von großzügigen vier Metern. Der Essplatz liegt wiederum etwas höher und hat einen Zugang auf die Gartenterrasse.

Das Bedürfnis nach einer zwecks Kommunikation zwar offenen, jedoch - um die Verbreitung von Küchendüften hintan zu halten - abtrennbaren Küche wurde mit einem "Cockpit" aus Platanenholz gelöst. Über ein horizontales Fensterband und eine Glastür sind Überblick und Einblick gewährleistet. Markantester Blickfang ist aber eine nach oben führende Wendeltreppe, die wie eine Skulptur im Raum steht. Allein drei Wochen Bauzeit brauchte es, um das schalungstechnisch komplizierte Werk zu vollenden.

Die vertikale Bewegung durch das Haus wird inszeniert, und zwischen den Geschoßen laden den Treppenlauf unterbrechende Podeste zum Stehenbleiben und Ausschauhalten ein. Apropos Ausblick: Von jeder Ebene gibt es einen Zugang ins Freie und die Fenster sind in allen Räumen so gesetzt, dass sie der Raumfunktion entsprechen. Das bedeutet zum Beispiel raumhohe Verglasungen im Wohnbereich, damit der Garten als Fortsetzung des Innenraums erlebbar wird. Ein über Eck laufendes, schmales Fensterband im Studio, durch das man im Sitzen den Ausblick genießen kann oder Fenster in Kopfhöhe in Durchgangsbereichen. Arno Grünberger, der mit Kollegen das interdisziplinäre Atelier "Spur Wien" betreibt, arbeitet auch im Produktdesign. Kein Wunder also, dass er bei einer so komplexen Aufgabe wie einem Wohnhaus auf akribisch ausgetüftelte Details Wert legt. Alle Bäder sind mit emaillierten Glasplatten in Weiß, Blau oder Schwarz ausgekleidet. Jenes der Kinder liegt im Erker an der Straßenseite zwischen den Zimmern. Gleich zwei Räume bedient die runde Duschkabine, die zwischen Eltern- und Gästebad liegt und mittels Raumgrenzen überschreitender Schiebetür von beiden Seiten zu nutzen ist.

Arno Grünberger (Spur Wien), Schwedenplatz 2/22, 1010 Wien, Tel. (01) 713 10 11

(Franziska Leeb, DER STANDARD, Printausgabe, 22. Februar 2003)