Im Grunde könnte die SPÖ das neue Jahr entspannt angehen: In den jüngsten Umfragen liegt sie deutlich vor der ÖVP, und für die kommenden Landtagswahlen sieht es nicht allzu schlecht aus. In der Steiermark hat VP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic um einiges gröbere Probleme als ihr roter Herausforderer Franz Voves. Das Burgenland hat Landeshauptmann Hans Niessl fest im Griff, und in Wien bewegt sich Michael Häupl bequem um die 50 Prozent - Tendenz: eher steigend.

Wie sie das Jubeljahr mitgestalten will, ohne von der Fest- und Feierwalze der Regierung planiert zu werden, hat die SPÖ bei der Klausur zumindest ansatzweise angedeutet, ebenso, was sie verfassungsmäßig über den aussichtslos scheinenden Konvent hinaus einbringen will. Inhaltlich also scheinen die Dinge einigermaßen übersichtlich auf dem Tisch zu liegen.

Dennoch will zum Start in das neue Jahr keine reine Freude aufkommen, was wohl an den Bürden liegt, die man sich noch im alten Jahr ohne Not selbst aufgeladen hat - genauer gesagt: dem Parteichef. Alfred Gusenbauer muss sich wohl damit abfinden, dass ihn die Debatte um seine Führungsqualitäten so lange begleiten wird, bis er die Partei an die Regierung geführt oder sich selbst ins politische Ausgedinge gestellt haben wird. Das Misstrauensvotum seiner Genossen hängt ihm vom Parteitag her nach und spiegelt sich im Verhalten der roten Landesparteichefs, die Gusenbauer ganz offen an eine alte Regel erinnern: Durchsetzungskraft den Ländern gegenüber steht und fällt mit der auf Bundesebene, und solange er nicht an der Macht ist, kann er ihnen bestenfalls etwas empfehlen, aber nichts anschaffen. Freundschaft!

So muss es Gusenbauer eben hinnehmen, dass sich ein Franz Voves sehr wohl von der FPÖ zum Landeshauptmann küren lassen würde, egal wie laut und oft der Parteivorsitzende eine Kooperation mit den Blauen im Bund ausschließt. Oder dass ein Michael Häupl der neuen Innenministerin Rosen streut, während sie der Bundesgeschäftsführer mit Dornen empfängt. Oder dass ein Peter Ambrozy mit Jörg Haider offen tut, was Gusenbauer für sich und die Partei kategorisch ausgeschlossen hat - welche Partei eigentlich? Das sind die eigentlichen Kommunikationsprobleme.

Wenn sich, wie im abgelaufenen Jahr, zu solchen strukturellen auch noch simple handwerkliche Schwächen gesellen - Stichwort Türkei-Beitrittsdebatte, Stichwort Wirtschaftspaket oder Finanzausgleich -, dann malt sich das Bild einer zutiefst uneinigen Partei mit einem Vorsitzenden ohne Fortune quasi von selbst.

Das sind dann ideale Vo^raussetzungen, um alte, längst begraben geglaubte Feindschaften wieder aufbrechen zu lassen. Etwa die zwischen der Wiener Partei und Bundesgeschäftsführerin Doris Bures, die immer dann geschlagen wird, wenn Parteichef Gusenbauer selbst gemeint ist, der Mut zur offenen Attacke aber nicht reicht.

Oder zur offenen Aussprache: Die hat es bisher auch bei der Klausur in Gamlitz nicht gegeben. Das ist eine Facette dessen, was in der Öffentlichkeit als schon bis zum Überdruss abgehandeltes Kommunikationsproblem der SPÖ wahrgenommen wird.

Möglicherweise ist die SPÖ ja drauf und dran, sich mit diesem Zustand abzufinden und bis zur Nationalratswahl zwischen Unausgesprochenem und folgenlos Dahingeplaudertem zu balancieren. Möglicherweise schadet ihr das auch nicht weiter, obwohl eher das Gegenteil der Fall sein dürfte. Die Wähler haben eine feine Witterung dafür, ob eine Partei mit sich selbst im Reinen ist oder nicht. Und sie pflegen in der Regel auch den zu bestrafen, der es vorgibt zu sein, aber nicht ist. Im Moment vermittelt die SPÖ jedenfalls nicht den Eindruck zu wissen, wie sie in eine Auseinandersetzung gehen soll, die über ihre Zukunft als gestaltende politische Kraft entscheiden wird. Selbst wenn erst, wie geplant, im Jahr 2006 gewählt werden sollte, wird die Zeit knapp. Daran ändern auch eventuelle Etappensiege bei Landtagswahlen nichts. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2005)