Geschlechterpolitik
Prammer fordert eigenen EU-Ministerrat für Gleichstellungsfragen
Europäische Juristinnen-Vereinigung gegründet
Berlin - In Berlin ist am Freitag die erste europäische Juristinnen-Vereinigung gegründet worden. Die
ehemalige österreichische Frauenministerin Barbara Prammer (SPÖ) wies in ihrem Referat darauf hin, dass durch
den Vertrag von Amsterdam die Gleichstellungspolitik in der EU auf einer Ebene mit zum Beispiel der
Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion stehe. "Höchste Zeit" sei es daher für einen
Gleichstellungs-Ministerrat, sagte Prammer.
Sie begründete dies damit, dass es auch einen Gesundheitsministerrat schon gegeben habe, noch bevor
Gesundheit eine Kompetenz der EU geworden sei. Für Prammer ist Rechtsdurchsetzung noch immer eine Frage
der finanziellen Möglichkeiten. Deshalb seien gerade unter dem Gesichtspunkt der neuen Regelungen von
Amsterdam Musterprozesse wichtig. Weiters betonte sie die Bedeutung der Verknüpfung der öffentlichen
Auftragsvergabe mit der Frauenförderung. Hier wären gesetzliche Regelungen notwendig. Prammer: "Ich möchte
das eine oder andere noch aktiv - nämlich lebend - erleben".
"Strategien zur Durchsetzung des Rechts auf Chancengleichheit"
Am Gründungskongress der europäischen Juristinnen-Vereinigung unter dem Motto "Strategien zur Durchsetzung
des Rechts auf Chancengleichheit", der noch bis Sonntag andauert, nehmen rund 300 Teilnehmerinnen aus allen
15 EU-Mitgliedsstaaten und darüber hinaus aus der Türkei, Norwegen und den USA teil. Die deutsche
Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zeigte sich erfreut über die große Zahl der Teilnehmerinnen und wies darauf
hin, dass noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein "Abbau der Rechtsordnung" befürchtet worden sei, falls Frauen
jemals zur Rechtssprechung zugelassen würden. Als eine der ersten Aufgaben will Däubler-Gmelin der neu
gegründeten Juristinnen-Vereinigung die Ausarbeitung der Grundrechtscharta der EU ans Herz legen. Sie hofft,
"dass die Juristinnen-Vereinigung bald in der Lage sein wird, sich einzumischen".
Diskussionen und Networking
Cherie Booth, die Ehefrau des britischen Premierministers Tony Blair, sieht die Ziele der neuen Vereinigung vor
allem in der Diskussion und im "Networking" unter den beteiligten Frauen. Bei ihren jüngsten Reisen im Osten
Europas habe sie festgestellt, dass "es dort noch eine Menge zu tun gibt".
Als Aufgabe der Juristinnen-Vereinigung formulierte Anna Sporrer vom Verein österreichischer Juristinnen, dass
es darum gehe, den Frauen in Europa den Zugang zu Recht, zu Geld und zu Macht zu erleichtern. Bei
Vereinheitlichungen von Rechtsgebieten auf EU-Ebene "kann das nicht nur zu Gunsten der Wirtschaft sein,
sondern muss auch zu Gunsten der Frauen passieren". Aus Österreich nehmen an der Veranstaltung noch die
sozialdemokratische Europaparlamentarierin Maria Berger und die Verfassungsrichterin Lilian Hofmeister teil.
(APA)