In den Katastrophengebieten Südasiens läuft die größte Hilfsaktion seit dem Zweiten Weltkrieg, doch noch immer sind Tausende Opfer für die Helfer nur schwer erreichbar. In der seit mehr als einer Woche abgeschnittenen Ortschaft Meulaboh in der indonesischen Provinz Aceh konnte endlich eine Landebahn für kleinere Flugzeuge in Betrieb genommen werden, um wenigstens Ärzte und Medikamente einzufliegen. In der Stadt Banda Aceh stockte der Nachschub für mehrere Stunden, weil ein defektes Frachtflugzeug die Landebahn blockierte.

Während Helfer aus vielen Ländern sich um die Notversorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten kümmern, kommen in der indonesischen Hauptstadt Jakarta Politiker und Experten aus aller Welt zusammen, um über die längerfristige Hilfe für die Region zu beraten. Die indonesische Regierung hat zu dem Gipfeltreffen eingeladen, das am Donnerstag offiziell beginnen soll. Auf der Tagesordnung steht auch der Aufbau eines Tsunami-Warnsystem in Indischen Ozean.

"Wahrhaft überwältigende Hilfsbereitschaft"

Die Vereinten Nationen (UNO) haben die "wahrhaft überwältigende" internationale Hilfsbereitschaft begrüßt. Mehr als zwei Milliarden Dollar (1,48 Mrd. Euro) sind bisher von 45 Staaten zugesagt worden. Der UNO-Koordinator für die Katastrophenhilfe, Jan Egeland, und UNO-Generalsekretär Kofi Annan äußerten die Hoffnung, dass alle Zusagen auch in materielle Hilfe umgesetzt würden. Die Erfahrungen gäben zu der Sorge Anlass, dass nicht alle Ankündigungen eingehalten würden, sagte Annan. Er verwies darauf, dass nach dem Erdbeben in der iranischen Stadt Bam vor einem Jahr ein Großteil der zugesagten Spenden ausgeblieben sei.

In den Flutgebieten Asiens sind noch nicht einmal die akuten Probleme gelöst. An den Verteilstellen für Wasser bilden sich lange Schlangen. Wenn Hubschrauber Lebensmittel bringen, reißen sich die Menschen die Kisten aus den Händen. "Sir, helfen Sie uns, helfen Sie uns", riefen sie einem Reporter zu, "wir brauchen Lebensmittel und Medikamente."

"Lage bessert sich"

Inzwischen gelingt es den Hilfsorganisationen aber immer besser, die ankommenden Hilfslieferungen schnell zu verteilen. "Die Lage bessert sich", sagte ein UNO-Koordinator in Banda Aceh. Die Region in Indonesien ist am schwersten betroffen. Im ganzen Land kamen mehr als 94.000 Menschen ums Leben. Der Stau bei den Lieferungen werde langsam abgebaut, sagte der UNO-Koordinator. Allerdings fehlten noch immer Lastwagen, Flugzeuge, Hubschrauber und Boote, um die Hilfsgüter zu verteilen.

Der Stadtstaat Singapur soll zum Drehkreuz der Vereinten Nationen für die Fluthilfe für Indonesien werden. Hilfslieferungen sollten von den Luftwaffen- und Marinestützpunkten der Stadt nach Indonesien gebracht werden, teilte das singapurische Außenministerium mit. Außerdem soll die UNO die Flugzeug- und Hubschrauberträger für ihre Hilfsflüge nutzen. In dem wohlhabenden Stadtstaat soll auch ein regionales Koordinationszentrum der UNO für die Indonesien-Hilfe eingerichtet werden.

In Banda Aceh wurde am Dienstag deutlich, wie selbst kleine Sandkörner das Getriebe der Helfer blockieren können: Dort war auf dem Rollfeld eine Frachtmaschine vom Typ Boeing 737 mit einem Wasserbüffel zusammengestoßen. Mit eingeknicktem Fahrwerk versperrte sie stundenlang die Landebahn.

Hubschrauber-Träger

Unterdessen sind in Sri Lanka die ersten US-Soldaten zur Katastrophenhilfe eingetroffen. Ein Voraustrupp von fünf US-Marines besuchte die besonders schwer betroffene Stadt Galle. Dort wurde in den nächsten Tagen ein Hubschrauber-Träger der US-Marine erwartet. Im Bezirk Galle hat die Flutwelle bis zu zwei Kilometer landeinwärts Zerstörung angerichtet. Alleine dort sind fast 25.000 Familien in mehr als 150 Auffanglagern untergebracht. Insgesamt werden rund 1.200 US-Marines in Sri Lanka erwartet.

In Sri Lanka sind nach jüngsten Regierungsangaben 29.957 Menschen getötet worden, 5.744 werden vermisst. Die Tamilen-Rebellen der LTTE meldeten aus den von ihnen kontrollierten Gebieten 14.000 Tote und 4.000 Vermisste, von denen allerdings die meisten in den Regierungszahlen enthalten sein sollen. Gemessen an der Einwohnerzahl von 20 Millionen ist Sri Lanka damit das am schwersten von der Naturkatastrophe betroffene Land.

In allen Flutgebieten, wo mehr als fünf Millionen Menschen ihr Heim verloren haben, herrscht nach wie vor große Seuchengefahr, die vor allem von dem schmutzigen Wasser ausgeht. Ärzte registrierten erste Fälle von Durchfall, Lungenentzündung, Malaria und Hautinfektionen. "Es ist ein Rennen gegen die Zeit", heißt es in einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO. (APA)