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Diverse Interpreten - DFA Compilation #2 (DFA/EMI)

Foto: Archiv
Punk und Disco, gemischt mit experimentellem Ansatz, dieser musikalische Bastard mag zwar historisch gesehen nichts Neues sein. Immerhin versuchten sich gerade in New York schon vor einem Vierteljahrhundert Produzententeams wie Was (Not Was) oder Material auf 2004 wiederveröffentlichten Kompilationen wie "Mutant Disco" oder in Großbritannien diverse Acts des Factory-Labels in Manchester, etwa die weißen Funk-Monster A Certain Ratio, an dieser ungehörigen Verbindung. Seit der aktuellen Electro-Clash- und Electronic-Punk-Sause arbeitet allerdings jetzt ein New Yorker Duo mit seinem Label DFA (Death From Above) konsequent an einer Neudeutung dieses damals nur ansatzweise ausgeschöpften Genres. Tontechniker James Murphy und der von seiner Arbeit für das Londoner TripHop-Label Mo' Wax und als frühes Mitglied der Dancefloor-Band UNKLE bekannte Tim Goldsworthy, ein britischer Studiotüftler im US-Exil, sorgen seit 2001 von einem kleinen Studio in Manhattan aus für Aufsehen in Underground-Zirkeln.

Spätestens seit Remixes und Produktionsarbeiten für auf den Tanzboden schielende junge Rockbands wie The Rapture ("House of Jealous Lovers" aus 2001), Radio 4, Metro Area oder Le Tigre wird das DFA-Label als neue Sensation gehandelt. Und dank Murphys eigener Band, dem LCD Soundsystem, das nach heute verzweifelt gesuchten, weil längst vergriffenen Maxi-Singles wie "Yeah" im Februar ein erstes eigenes Album veröffentlichen wird, stehen heute längst Mainstream-Acts wie Britney Spears oder Janet Jackson Schlange, um sich von Murphy/ Goldsworthy ein wenig richtiges Leben in den erkalteten Luxuskörper hauchen zu lassen. Selbstverständlich lehnt das DFA-Team solche Ansinnen entschieden ab. Im Gegensatz zu den ursprünglich ähnlich gearteten Neptunes etwa, deren klassisch verhatschter Shuffle-Rhythmus heute von Britney Spears über Christina Aguilera bis zu Kelis, Nelly oder diversen Goldketten-Rappern gut ein Drittel aller Hitparaden-Singles bestimmt, will man sich nicht so schnell von den Dollars vereinnahmen lassen.

Wie die jetzt veröffentlichte Werkschau "DFA Compilation #2" auf zwei CDs plus einem DJ-Mix beweist, sind Murphy und Goldsworthy längst auf dem besten Wege, einen eigenständigen und weg von den historischen Vorbildern zielenden Sound zu generieren. In der Mitte zwischen reschem Kraftlackeltum und beherzten Grooves wird hier längst der pulsierende Sound einer Metropolis nachgestellt, die von hektischen Noise-Attacken, Ethno-Beats vor allem aus Südamerika, rockistischem Hau-drauf-und-Schluss bis zu Krautrock-Referenzen Richtung Kraftwerk, Neu! oder Cluster und zur klassischen Disco mit Handclapping-Maschinen, Kuhglocken, im dritten Untergeschoss böllernden Bässen und durchaus gemütlicher als heute längst üblich marschierendem Schlagzeug alles beinhaltet, was die Postmoderne so zum Abtanzen benötigt.

Dank eines weltweiten Vertriebs-Deals mit dem Konzernmulti EMI dürften also 2005 neben dem heiß erwarteten "Space-Rock Boogie-Oogie" von LCD-Soundsystem, das live mit zwei Keyboardern und drei Perkussionisten und anschließend mit bis zu achtstündigen DJ-Sets ordentlich für Rambazamba sorgt, und den bestens eingeführten Rockdisco-Königen The Rapture bald auch völlig unbeschriebene Blätter wie The Juan Maclean, Black Dice, Delia Gonzales, Pixeltan oder J.O.Y. einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 7. 1. 2005)