Rom - Die italienischen Staatsanwälte und Richter planen Aufsehen erregende Protestaktionen gegen die Justiz-Reformpläne der Regierung von Silvio Berlusconi. Bei den traditionellen Neujahrsempfängen, die kommende Woche in allen größeren italienischen Städten stattfinden, wollen Richter und Staatsanwälte mit der Verfassung in der Hand erscheinen, um gegen die ihrer Ansicht nach illegale Reform zu protestieren. Einige Richterverbände drängen sogar auf einen Boykott der Neujahresempfänge, an denen Vertreter der Regierung wie der umstrittene Justizminister Roberto Castelli teilnehmen.

Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi hatte im Dezember die Unterzeichnung der vom Parlament bereits verabschiedeten Justizreform verweigert. Ciampi hatte die beiden Parlamentskammern zu einer neuen Diskussion über das Gesetz aufgerufen. Der Staatspräsident hat laut italienischer Verfassung das Recht, eine neue Überprüfung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze zu fordern. Kein Gesetz kann in Italien ohne die Unterschrift des italienischen Staatschefs in Kraft treten. Wenn das Parlament das Gesetz ein zweites Mal ungeändert verabschiedet, ist der Präsident aber zur Unterzeichnung gezwungen.

Rechtsprechung unter politischem Einfluss

Mit Einschüchterung, Verzögerungs- und Sabotagetaktik wolle die Politik den Richterstand für die Prozesse gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi bestrafen, betonten hochrangige Justizvertreter. Laut dem italienischen Richterverband ANM zielen die Reformpläne der Regierung Berlusconi eindeutig darauf ab, die Rechtsprechung unter den Einfluss der jeweiligen politischen Mehrheit zu stellen. Die Unabhängigkeit der Richter werde deutlich beschnitten, da die Justizreform eine Kontrolle der Staatsanwälte durch die parlamentarische Mehrheit vorsehe. Die italienischen Richter haben in den letzten zwei Jahren bereits drei Mal gegen Berlusconis Reform gestreikt.

Kernpunkt von Berlusconis Justizreform ist die strikte Trennung der Berufskarrieren von Staatsanwälten und Untersuchungsrichtern auf der einen Seite und den Richtern auf der anderen. Dazu will die Regierung das System zur Wahl des Obersten Richterrats ändern, dessen Vorsitz verfassungsgemäß der Staatspräsident innehat. Zweck dieser Bestrebungen ist laut der Regierungskoalition, den Aufbau "politisch oder ideologisch" ausgerichteter Gruppen in diesem Gremium zu vermeiden.

Berlusconi selbst hatte die Justiz als "Kampfinstrument" bezeichnet und mit dem Faschismus verglichen. Er behauptet immer wieder, angeblich linke Richter würden ihn verfolgen und wollten seine Mitte-Rechts-Regierung stürzen. (APA)