Straßburg - Vor dem Straßburger Strafgericht hat am Donnerstag der Prozess über einen der ungewöhnlichsten Fälle in der Geschichte der Kunstkriminalität begonnen. Der aus dem Elsass stammende Kunst-Kleptomane Stephane Breitwieser stahl von 1995 bis 2001 in sieben Ländern rund 240 Kunstwerke, darunter auch ein Bild aus Österreich. Nach seiner Festnahme in der Schweiz Ende 2001 vernichtete seine Mutter einen Großteil der Sammlung. Neben Breitwieser stehen seine Mutter sowie seine Ex-Freundin vor Gericht.

Obsessive Kunstliebhaberei

Der 33 Jahre alte Angeklagte, ein Großneffe des elsässischen Malers Robert Breitwieser (1899-1975), bezeichnet sich selbst als passionnierten Kunstliebhaber. Ihm sei es nie darum gegangen, mit den gestohlenen Objekten zu handeln, sagte er vor zwei Jahren bei einem ersten Prozess in der Schweiz, wo er wegen 69 Kunstdiebstählen zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.

Vor Gericht schilderte der Elsässer damals detailliert, wo und wann er zwischen 1995 und Ende 2001 insgesamt 239 Kunstwerke gestohlen hatte - darunter Gemälde aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, unter anderem von François Boucher, Antoine Watteau, Pieter Brueghel und Albrecht Dürer. Auch in Österreich hat Breitwieser 2001 ein Bild entwendet, den "Flötenspielenden Knabe" des niederländischen Malers Gerard Dou aus dem Tiroler Landesmuseum.

Zeugen zufolge gab Breitwieser, der in der Schweiz als Kellner arbeitete, viel Geld aus, um die gestohlenen Gemälde rahmen zu lassen. Seine Sammlung hortete er im Haus seiner Mutter nahe der elsässischen Stadt Mülhausen - bis er im November 2001 in Luzern auf frischer Tat ertappt und festgenommen wurde.

Obsessive Zerstörungsaktion

Anschließend begann die Mutter ihre Zerstörungsaktion, die unter Kunstkennern in ganz Europa Fassungslosigkeit auslöste: Gemälde Alter Meister, deren Gesamtwert von der Londoner Zentralstelle für vermisste Kunstgegenstände auf über 1,5 Milliarden Euro beziffert wurde, zerschnitt die Frau in kleine Stücke und warf sie in den Müll. Andere Kunstschätze warf sie südlich von Straßburg in den Rhein-Rhône-Kanal - unter anderem kleine Statuen, alte Waffen, Uhren, Messgeräte und Musikinstrumente, wertvolles Porzellan und Tafelsilber. Ein Teil der Beute wurde im Mai 2002 aus dem Kanal geborgen. Allein deren Wert schätzten Experten damals auf rund 45 Millionen Euro.

Eine zentrale Rolle bei dem Straßburger Prozess dürfte die Frage spielen, warum die Mutter so handelte. Nach Einschätzung eines Fahnders hatte die Frau offenbar ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Sohn und einen regelrechten Hass auf seine Sammlung. Sie selbst sagte aus, sie habe ihren Sohn für alles bestrafen wollen, was er ihr angetan habe. Wie die Mutter schilderte auch eine frühere Freundin den Angeklagten als unreif und gewalttätig.

Breitwiesers Ex-Freundin muss sich wegen Hehlerei verantworten. Die Urteile sollen am Freitag fallen. (APA)