Netzpolitik
Ehemaliger CIA-Direktor erklärt moralischen Auftrag der US-Geheimdienste
Grüne wollen im Europäischen Parlament einen Untersuchungsausschuss zu Echelon
In einer Anhörung zum Thema "Die europäische Union und der Datenschutz"
Ende Februar vor dem Europäischen Parlament hatte Duncan Campbell seinen
Bericht über Echelon vorgestellt. Die französische Regierung hat als Konsequenz eine Kommission
zur Überprüfung der Vorwürfe eingesetzt, und die Grünen im Europaparlament
forderten daraufhin die Einrichtung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses, um den Behauptungen nachzugehen, die USA
würden mit dem Echelon-System Industriespionage zugunsten amerikanischer
Unternehmen betreiben. Angeblich haben die Grünen bereits die Zustimmung
von 130 Abgeordneten erreicht. Für die Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses ist allerdings die Zustimmung von 160 der
insgesamt 626 Abgeordneten notwendig.
"Echelon, ein völlig unkontrolliertes und illegales Lauschsystem, das von den
USA, Großbritannien und einigen anderen Staaten betrieben wird, stellt eine
deutliche Gefahr für die Bürgerrechte und die EU-Wirtschaft dar", sagte Paul
Lannoye von der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament in einer
Presseerklärung. "Es ist schockierend, dass die USA und ihre Verbündeten
nach dem Kalten Krieg ihre Hightech-Lauschsysteme gegen die
Mitgliedsstaaten der EU gerichtet haben."
Am 16. März hatten schließlich 393 Abgeordnete bei 38 Gegenstimmen und
76 Enthaltungen eine Entschließung gebilligt, die eine kohärente und
konsistente Menschenrechtspolitik der EU fordert und den Europäischen Rat
aufruft, dafür eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Auch ein Zusatz wurde
angenommen, der betont, dass "das Recht auf Privatsphäre mit großer Sorgfalt
angesichts des illegalen Einsatzes neuer Technologien geschützt werden muss,
wie dies durch Berichte über den Echelon-Fall anschaulich wird."
Der Ex-CIA-Direktor James Woolsey ist im Rahmen einer Pressekonferenz
bereits am 7. März den Vorwürfen der Europäer entgegengetreten. Die
amerikanischen Geheimdienste würden zwar auch Unternehmen belauschen,
aber lediglich aus dem Grund, um gegen die in Europa herrschendende Kultur
der Bestechung vorzugehen. Die durch Abhören gewonnenen Informationen,
würden aber nicht amerikanischen Unternehmen zugespielt werden, um diesen
Vorteile gegenüber europäischen Konkurrenten zu verschaffen. Das wäre auch
schon deswegen sinnlos, so Woolsey, weil die Amerikaner technisch sowieso
überlegen seien, dass sie kaum von Europa profitieren könnten. Damit suchte
er plausibel zu machen, warum keine Wirtschaftsspionage von amerikanischen
Geheimdiensten betrieben werde.
Offenbar fanden seine Ausführungen Gefallen, denn jetzt durfte er sie noch
einmal in Form eines Artikels am 17. März für das Wall Street Journal
ausbreiten, um zu erklären, was der Grund für die ganze Aufgeregtheit sei: "Ja,
meine kontinentaleuropäischen Freunde, wir haben euch ausspioniert. Und es
stimmt, dass wir Computer benutzen, um die Daten nach Schlüsselbegriffen zu
durchsuchen." Aber man frage in Europa nicht nach den Gründen, denn der
Vorwurf einer Wirtschaftsspionage sei absurd: "Stellt euch auf den Boden der
Tatsachen. Sicher ist die europäische Technologie auf wenigen Gebieten der
amerikanischen überlegen, aber, um dies so nett wie möglich zu sagen, die
Zahl dieser Gebiete ist sehr, sehr, sehr klein. Die meiste europäische
Technologie lohnt den Aufwand gar nicht, sie zu stehlen." Solange Europa
eine verfehlte dirigistische Wirtschaftspolitik betreibe, seien die europäischen
Unternehmen den amerikanischen unterlegen und müssten als Kompensation
zur Bestechung greifen. Würden die Europäer dem amerikanischen Vorbild
folgen und sich anstatt an Colbert an Adam Smith orientieren, wären sie auch
innovativer: "Und dann müssten wir sie auch nicht mehr ausspionieren." (
Heise
)